Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Witwe

Die Witwe

Titel: Die Witwe
Autoren: Carter Brown
Vom Netzwerk:
Propheten fahnden. Ich hatte andere, dringendere Dinge zu tun,
wenn mich meine Ahnung nicht trog.
    Ich richtete die Linsen des
Feldstechers auf den Eingang zu Bennetts Büro und adjustierte sie vorsichtig,
so daß mir die Tür fast ins Auge zu springen schien. Sie hatte sich, seit ich
sie zum letztenmal gesehen hatte, irgendwie
verändert. Sie war nicht mehr verschlossen. Sie stand ein paar Zentimeter weit
offen und bewegte sich im Luftzug. Es schien so, als ob mich meine Ahnung in
der Tat nicht getrogen hatte.
    Ich steckte den Feldstecher
wieder in sein Etui und ließ ihn auf dem Dach liegen. Mir fiel ein, was
Annabelle über mein Alter gesagt hatte, und so schloß ich im Augenblick, bevor
ich vom Dach heruntersprang, die Augen.
    Meine Füße schlugen mit einem
dumpfen Laut auf dem Gras auf, und ich fiel auf Hände und Knie. Mühsam raffte
ich mich auf und strebte dem Büro zu. Der Lärm der Menge war ohrenbetäubend und
schien in nicht endenwollenden Wellen gegen mein
Trommelfell anzubranden. Ich glaubte weit in der Feme eine Sirene heulen zu
hören.
    Zwanzig Sekunden später
erreichte ich die Tür von Bennetts Büro und blieb dort einen Augenblick lang
stehen, bis ich die Achtunddreißiger zur Hand hatte. Ich bin kein Feigling, ich
bin bloß kein Held, das ist alles.
    Dann preßte ich die Handfläche
gegen die Tür und schob sie sachte auf. Sie öffnete sich lautlos, und ich trat
in einen kleinen Flur. Im Hauptzimmer standen drei Gestalten, den Rücken mir
zugewandt.
    Eloise war aus ihrem weißen
Gewand geschlüpft und hatte sich einen dunklen Rock und einen dunklen Pullover
angezogen. Beides paßte jedenfalls besser zu der Pistole in ihrer Hand.
Cornelius Gibb trug seine weiße Sportjacke und lohfarbene Hosen; sein
Gesichtsausdruck paßte nicht zu seiner übrigen Ausstattung.
    Bennetts Gesicht war grau,
während er sie anblickte. »Sie sind verrückt!« sagte er heiser. »Sie werden
niemals mit heiler Haut davonkommen.«
    »Das stimmt, wenn Sie uns noch
länger hinhalten«, sagte Eloise energisch. »Wenn es notwendig ist, werden wir
das Schloß zerschießen, aber ich werde dafür sorgen, daß Sie zuerst erschossen
werden.«
    »Seien Sie kein Trottel,
Ralph«, sagte Cornelius. »Ersparen Sie sich den ganzen Kummer. Machen Sie auf.«
    »Sie werden noch nicht einmal
bis zur Überlandstraße kommen«, sagte Bennett mit zitternder Stimme. »Die
Polizei wird Sie auflesen und...« Er stöhnte leise auf, als sich Cornelius
Ellbogen brutal in seinen Solarplexus bohrte.
    »Sie können sich die
Begräbnisanzeige schenken«, sagte Cornelius kalt. Er hob die Rechte und schlug
die Handkante mit einem bösartigen Ruck über Bennetts Nasenrücken.
    Bennett fiel auf alle viere und
begann rauh zu schluchzen.
    »Das nächste Mal bleibt Ihnen
ein dauernder Schaden!« flüsterte Cornelius. »Dies ist Ihre letzte Chance,
Ralph. Machen Sie auf oder nicht?«
    »Ja«, sagte Bennett schwach.
»Ja! Nur schlagen Sie mich nicht mehr.«
    »Je schneller Sie aufmachen,
desto geringer ist das Risiko, daß Cornelius Sie wieder schlägt, Ralph«, sagte
Eloise kühl. »Ich würde mich an Ihrer Stelle beeilen.«
    Noch immer auf Händen und
Knien, rutschte Bennett zum Safe hin. Seine Finger zitterten, während er die
Nummernscheibe drehte. Die beiden anderen beobachteten ihn intensiv und ich
ebenfalls.
    Es erfolgte ein scharfes Klicken
und Bennett nahm die Hand von der Scheibe. Die Safetür schwang langsam auf.
Cornelius sagte ungeduldig etwas Obszönes und packte den Griff, um die Tür
vollends aufzureißen.
    Die Stille im Büro breitete
sich plötzlich aufs eindringlichste aus, in scharfem Gegensatz zu dem von außen
hereindringenden Lärm der Menschen. Ich konnte über Bennetts Schulter hinweg in
den Safe hineinblicken. Ich sah, daß er leer war, bis auf ein paar
zusammengefaltete Papiere und Dokumente auf dem Regal.
    »Das ist sehr amüsant, Ralph«,
sagte Eloise mit unbewegter Stimme. »Nun erzählen Sie uns mal, wo das Geld
ist.«
    »Es — es ist weg!« sagte
Bennett mit zitternder Stimme. »Das ist nicht möglich!«
    Cornelius packte Bennetts
Jackenaufschläge, zerrte ihn auf die Füße und schüttelte ihn heftig. »Wo ist
es?« brüllte er. »Was haben Sie damit gemacht? Achtzigtausend! Es gehört uns!
Hören Sie? Uns! Achtzigtausend Dollar laufen nicht von allein aus einem Safe
hinaus und davon! Was haben Sie damit gemacht?«
    Bennett gurgelte vor Entsetzen.
»Ich weiß nicht!« flehte er verzweifelt. »Ich schwöre Ihnen, ich weiß es
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher