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Die Witwe

Die Witwe

Titel: Die Witwe
Autoren: Carter Brown
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kann
doch jemanden beobachten — das ist ganz einfach.«
    »Hoffentlich haben Sie recht«,
sagte ich. »Gehen Sie jetzt besser dort hinauf.«
    »Ja, Lieutenant. Was werden Sie
tun?«
    »Ich werde mich mit der
Wissenschaft des Aufstiegs in den Himmel beschäftigen«, sagte ich.
    »Ja?« sagte Polnik mit
sehnsüchtiger Stimme. »Ich wollte, ich wäre Lieutenant, Lieutenant. Das klingt
großartig.«
    »Halten Sie besser Ihre
Dienstmarke so, daß Sie sie lesen können«, sagte ich müde, »für den Fall, daß
Sie unterwegs vergessen, was daraufsteht .«
    »Danke, Lieutenant. Das ist
eine gute Idee.«
    Ich sah ihm nach, bis seine
massige Gestalt von der Menge verschluckt wurde. Dann warf ich erneut einen
Blick auf meine Uhr. Es war sechs Uhr fünfzehn. Noch fünfundzwanzig Minuten bis
zum Sonnenuntergang. Ich schlenderte zu Stellas Bungalow hinüber. Dort
angelangt, blickte ich mich um. Niemand schien mich zu beobachten — alle
strebten dem Band der Bergspitze zu. Ich ging um den Bungalow herum zu dessen
Hinterseite. Dort war alles leer und verlassen.
    Ich stellte einen Fuß auf das
Fenstersims und hangelte mich in die Höhe, so daß ich schließlich die Dachrinne
packen konnte. Mit einem weiteren krampfhaften Ruck schwang ich mich über sie
weg, so daß ich ausgestreckt auf dem flachen Dach des Bungalows lag.
    Ich setzte mich auf, nahm den
Feldstecher heraus, richtete ihn auf den Altar und stellte die Gläser richtig
ein. Der Altar schien verblüffend nahe vor meinen Augen zu sein. Ich sah, daß
unmittelbar vor ihm ein Mikrofon angebracht war. Ich ließ den Blick über die
Menge gleiten und stellte fest, daß sich an allen strategisch wichtigen Punkten
Verstärker befanden. Es sah ganz nach Bennetts Organisation aus. Die letzten
Worte des Propheten sollten von allen Anwesenden gehört werden.
    Ich setzte den Feldstecher ab
und zündete mir eine Zigarette an. Die Sonne stand nun tief am Himmel,
unmittelbar hinter dem Altar und dem Felsenrand dahinter, aber nach wie vor
brannte sie mit glänzender und blendender Helligkeit herab.
    Ein erneuter Blick auf meine
Uhr verriet mir, daß noch immer sechzehn Minuten verstreichen mußten, bis es
soweit war. Ich blickte über die riesige Menschenmenge weg und sah, daß sie
leicht in Bewegung geriet. Ich hob den Feldstecher und richtete ihn auf den
Herd der Unruhe. Die Menge machte Eloise und dem Propheten Platz, die sich
langsam zu dem Altar bewegten.
    Der Prophet schritt
majestätisch dahin, seine Arme schwangen frei an der Seite, seine Fäuste waren
geballt. Hinter ihm ging mit kaltem und abweisendem Gesicht, von ihrem weißen
Gewand umflattert, Eloise.
    Ich setzte erneut den
Feldstecher ab. Das leise und unaufhörliche Gemurmel der Menge drang schwach
herüber, unterbrochen durch die heiseren Rufe der Verkäufer, die noch bis zur
letzten Minute ihre Hot Dogs und Limonaden anboten.
    Eine Biene summte ziellos
vorbei. Das Geräusch klang seltsam laut in mein Ohr. Nach wie vor brannte die
Sonne stark und gleichmäßig auf alles und alle.
    Ein plötzliches merkwürdiges
Gefühl der Unwirklichkeit erfaßte mich. Ich fragte mich, ob nicht die Welt auf
eine ähnliche Weise enden würde — während Mädchen in Sommerkleidern im Gras
saßen und ihre Hot Dogs aßen, während ein Mann mit einem Bart, mit nichts als
einem Lendentuch bekleidet, vor ihren Augen zu einem Stück Kruste verbrannte
und der Sonnengott selbst, noch während sie zuschauten, seinen Fluch wahr
machte und im Bruchteil einer Sekunde die Welt in ewig währende Finsternis tauchte,
in den unendlichen Tag ohne Helligkeit, der alles vernichtete.
    Dann hatten die beiden den
Altar erreicht.

DREIZEHNTES
KAPITEL
     
    L angsam senkte sich Stille über
die riesige Menge, als Eloise und der Prophet den Altar bestiegen und sich den
Menschen zuwandten. Ich hatte das Glas auf die beiden gerichtet und sah, wie
Eloise einen Schritt vortrat und beide Arme langsam über den Kopf hob.
    »Freunde«, hörte ich ihre
klare, flüssige Stimme aus den Lautsprechern dringen, »Freunde«, wiederholte
sie mit leiserer Stimme, »Freunde und Verehrer des Sonnengottes! Dies ist ein
bedeutungsvolles Ereignis für uns alle! Unser Führer, der Prophet des
Sonnengottes hat verkündet, daß er beim Sonnenuntergang des heutigen Tages aufgerufen
ist, sich mit dem Sonnengott zu vereinen.«
    Sie machte eine kurze Pause,
und als sie weitersprach, klang ihre Stimme ein wenig tiefer. »Dies ist ein Tag
der Freude und zugleich der Trauer für uns alle. Der
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