Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die vierte Todsuende

Die vierte Todsuende

Titel: Die vierte Todsuende
Autoren: Lawrence Sanders
Vom Netzwerk:
Strand von Waikiki. Auf dem Boden gemustertes Linoleum, hölzerne, in Orange gehaltene Möbel, offenbar als Garnitur gedacht.
    Das alles entsprach nicht Delaneys Geschmack, aber darauf kam es nicht an. Ein ehrlicher Polizist mit sechs Kindern kann sich weder Stilmöbel noch einen Aubusson-Teppich leisten, wichtig war nur, dass es warm und sauber war und die Kinder satt und ordentlich gekleidet waren. Delaney bekam den Eindruck, dass er eine glückliche Familie vor sich hatte, in der keiner über Mangel an Liebe zu klagen hatte. Die Kinder baten um Erlaubnis, eine Stunde fernzusehen, danach wollten sie Hausaufgaben machen.
    Der Vater erlaubte es und führte dann seinen Gast in die nach hinten hinaus gelegene Küche. »Da sind wir ungestört«, erklärte er.
    »Kinder stören mich nicht«, bemerkte Delaney. »Ich habe selber zwei und dazu zwei Stieftöchter. Ich mag Kinder gern.«
    »Das war zu merken«, bestätigte Suarez.
    Die Küche war groß genug, um einen Tisch aufzunehmen, an dem die ganze Familie Platz fand; außerdem war sie reichlich mit Töpfen, Pfannen und Tiegeln ausgestattet, und es fehlte auch nicht an modernen Küchengeräten. Delaney Schloss daraus, dass gutes Essen hier großgeschrieben wurde. Er setzte sich auf einen der soliden Holzstühle.
    Suarez fragte: »Es kränkt Sie hoffentlich nicht, dass ich Sie mit Ihrem Namen anrede statt mit Ihrer Dienstbezeichnung?«
    »Keine Spur. Das ist längst vorbei. Ich bin ein schlichter Bürger.«
    Suarez verzog ein wenig das Gesicht. »Sie wissen, eine ganze Menge ehemalige Beamte bestehen darauf, bei ihrem früheren Dienstgrad genannt zu werden.«
    »Zu denen gehöre ich nicht, da können Sie ganz beruhigt sein.«
    Sie saßen einander am Tisch gegenüber, und Delaney musterte unauffällig diesen Mann mit den aus der hohen Stirn zurückgekämmten rabenschwarzen Haaren, dem hängenden Schnauzbart, der olivfarbenen Haut und den Augen, so schwarz und glänzend wie feuchter Anthrazit. Die Zähne waren vollständig und strahlend weiß, Ihm entgingen aber auch nicht der Ausdruck von Bedrücktheit und die Anzeichen von übermäßiger Anspannung, die sich in einem gelegentlichen Zucken des linken Mundwinkels kundtaten, in den tiefen Stirnfalten und den geschwollenen Tränensäcken. Suarez stand unter Druck, und man merkte es ihm an. Delaney fragte sich, wie der Mann wohl derzeit schlief und ob überhaupt?
    Gleich zu Beginn des Gespräches gab er eine Erklärung ab, die er für unbedingt erforderlich hielt: »Sie wissen wahrscheinlich, dass ich seinerzeit in der Behörde den Ruf eines Dickschädels gehabt habe. Ich habe nie ein Blatt vor den Mund genommen und mir nicht wenige Feinde gemacht.«
    »Ja, davon habe ich gehört.«
    »Ich mache auch jetzt aus meinem Herzen keine Mördergrube, und deshalb möchte ich Ihnen sagen: Einerlei, was Thorsen Ihnen gesagt und wie stark er Sie möglicherweise gedrängt hat, mich hinzuzuziehen - Sie sollen mir rundherum sagen, ob es Ihnen recht ist, dass ich mitmache. Falls nicht, sagen Sie es unverblümt, das kränkt mich nicht die Spur, ich versichere es Ihnen. Sagen Sie es mir, wenn Sie den Fall allein bearbeiten wollen. Dann lasse ich Sie in Ruhe, bedanke mich für die Einladung und den Kaffee, den ich in jedem Fall genossen habe, und die Sache ist erledigt.«
    »Der stellvertretende Commissioner hat sehr viel für mich getan«, versetzte Suarez leise, »mehr, als Sie ahnen.«
    »Blödsinn. Thorsen handelt in seinem ureigensten Interesse, und das wissen Sie auch ganz genau.«
    »Das ist schon richtig«, gab Suarez zu, »aber es ist nicht alles. Es dürfte doch jetzt ungefähr fünf Jahre her sein, seit Sie in Pension gegangen sind…?«
    »Länger sogar.«
    »Dann können Sie unmöglich wissen, was sich unterdessen in der Behörde alles geändert hat. Etwa ein Drittel unserer Außenbeamten hat weniger als fünf Jahre Berufserfahrung. Die Vorschrift betreffend Mindestgröße ist aufgehoben, wir haben jetzt kleine Leute, farbige, weibliche, hispanische, orientalische, schwule sogar. Zugleich ist der Anteil von Beamten mit Collegeabschluß erheblich gestiegen, und fast alle unserer Leute sprechen mindestens eine Fremdsprache. Das ist eine Umwälzung, und ich bin ganz dafür.«
    Delaney hörte schweigend zu.
    »Diese jungen Leute sind stark motiviert, sie sind gesetzeskundig, sie bilden sich weiter in Soziologie und Psychologie, und das hilft dem Betrieb bei uns enorm — können Sie mir folgen?«
    »Nun ja, schaden tut es gewiss nicht.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher