Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die vierte Todsuende

Die vierte Todsuende

Titel: Die vierte Todsuende
Autoren: Lawrence Sanders
Vom Netzwerk:
Ausgaben, und wer jetzt etwas zu verkaufen hatte und es nicht in den kommenden sechs Wochen schaffte, der blieb gewiss für alle Ewigkeit darauf sitzen.
    So stapfte er schweren Schrittes die 2. Avenue entlang, den Wintermantel über die breiten Schultern gehängt. Der Homburg saß korrekt auf seinem Schädel, die großen Plattfüße steckten in Schnürstiefeln aus schwarzem Känguruhleder. Eher hätte man ihn für einen höheren katholischen Geistlichen gehalten als für einen ehemaligen Polizisten. Allerdings gab es keine ›ehemaligen‹ in dieser Branche…
    Die scharfe Luft stimmte ihn heiter, und mit Vergnügen sah er die unzähligen Läden, die in Manhattan dieser Tage aus dem Boden schossen wie Pilze. Täglich ein neuer koreanischer Gemüsehändler, eine französische Patisserie, ein Japaner, der über die Straße verkaufte. Und lauter gute Dinge — zarte Pilze, saftiges Ost, wohlschmeckendes Fleisch.
    Und das Gebäck! Zahllose Brotsorten, die hatten es Delaney am meisten angetan. Er litt förmlich — und seine Frau zum Glück ebenfalls — an ›altersbedingter Gier nach Sandwiches‹, und betrachtete das schier unübersehbare Angebot von Brot wie der Goldgräber den endlich entdeckten Schatz.
    Brioches, Muffins, Pita, helle Challah und bleischwerer Pumpernickel, manche Laibe nicht größer als eine Faust, dann wieder deutsches Roggenbrot, groß wie eine Granate. Teig, der auf der Zunge zerfiel, und Körner, die mit einem Plumps im Magen landeten.
    Er betrat ein halbes Dutzend Geschäfte, kaufte dies und das, trat dann aber reumütig den Heimweg an, als ihm einfiel, was seine Frau zu dieser Verschwendung sagen würde. Dabei sah er vor seinem geistigen Auge eine funkelnagelneue Kreation: Räucherfisch mit einer Scheibe Zwiebel und etwas Mayonnaise auf einem Croissant.
    Dieser breitschultrige, etwas schwerfällig einher stapfende Mann schien ganz mit sich beschäftigt, und doch entging ihm nichts. Als er das 21. Polizeirevier passierte — sein altes Revier! — und sich seinem aus Sandstein gebauten Reihenhaus näherte, bemerkte er sogleich den schwarzen, ungekennzeichneten Buick im Halteverbot und die beiden uniformierten Polizisten auf den Vordersitzen. Die ihrerseits nahmen ihn kaum zur Notiz.
    Monica saß vor dem Küchentisch und blätterte in Rezepten. »Du hast Besuch«, begrüßte sie ihn.
    »Schon gesehen. Das ist Ivar. Wo hast du ihn hingesetzt?«
    »In dein Arbeitszimmer. Kaffee wollte er keinen. Er sagte, er wollte warten, bis du kommst.«
    »Warum ruft er nicht vorher an?« knurrte Delaney und wuchtete das Einkaufsnetz auf den Tisch.
    »Was hast du denn da angeschleppt?«
    »Och, bloß ein paar Kleinigkeiten.«
    Sie beugte sich vor und rümpfte die Nase. »Was stinkt denn da so?«
    »Die Blutwurst vielleicht.«
    »Blutwurst? Was denn noch!«
    »Warte ab, bis du sie probiert hast.«
    Er küsste sie auf den Nacken. »Räum das Zeug bitte weg, Schatz, ich sehe mal nach, was er will.«
    »Woher weißt du, dass er was will?«
    »Wäre er denn sonst hier? Der will nicht bloß mal ›Guten Tag‹ sagen.«
    Er hängte Hut und Mantel an die Garderobe und ging durchs Wohnzimmer in sein nach hinten hinaus gelegenes Arbeitszimmer. Als er die Tür leise aufmachte und wieder hinter sich Schloss, glaubte er zunächst, der stellvertretende Commissioner Ivar Thorsen sei eingeschlummert. »Ivar«, sagte er darum laut, »wie nett, dass Sie mal vorbeikommen!«
    Thorsen — im Präsidium ›der Admiral‹ genannt —, klappte die Lider auf und erhob sich aus dem Sessel neben dem Schreibtisch. Matt lächelnd reichte er Delaney die Hand.
    »Prächtig sehen Sie aus, Edward«, sagte er dabei.
    »Dasselbe würde ich gern von Ihnen sagen«, Delaney betrachtete seinen Besucher missbilligend, »nur sehen Sie leider aus wie durch die Mangel gedreht.«
    »Tja, das stimmt wohl«, seufzte Thorsen, »aber Sie wissen ja, wie es bei uns zugeht, ich habe letzthin kaum geschlafen.«
    »Gegen Schlaflosigkeit ist dunkles Bier am besten.
    Übrigens ist die Mittagszeit schon vorbei, und wir könnten einen Kleinen zur Brust nehmen…«
    »Glänzende Idee, Edward. Einen winzigen Schluck würde ich wohl vertragen.«
    Delaney holte aus der Hausbar zwei Gläser und eine Flasche Glenfiddich, setzte sich auf den Drehstuhl hinter dem Schreibtisch, goss ein und stieß mit seinem Besucher an.
    Der ließ sich in den Sessel zurücksinken. »Ahhh - danach könnte ich richtig süchtig werden.«
    Er war ein gepflegter, ordentlicher Mann, das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher