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Die Versuchung

Die Versuchung

Titel: Die Versuchung
Autoren: Jemima Montgomery
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Opfer nicht annehmen.“
    „Dann lieben Sie mich nicht, Isabelle!“, rief er leidenschaftlich.
    „Oh doch, das tue ich! Beweise ich es nicht gerade? Glauben Sie mir nicht, dass auch ich bereit bin, ein Opfer zu bringen?“
    „Für wen?“, fragte Hamilton bitter. „Möchten Sie damit vielleicht Mademoiselle Hortense beeindrucken oder Graf Zedwitz? Sie sind gekränkt, weil ich einige Zeit überlegt und gezögert habe, ehe ich mich dazu entschlossen habe, notfalls mit meiner Familie zu brechen und meine beruflichen Aussichten aufzugeben, die ich ohne Protektion meines Onkels nicht habe. Wenn Sie mich jetzt auf diese Art zurückweisen, dann ist das kein Opfer, sondern – verletzter Stolz.“
    Isabelle zuckte zusammen, als habe er sie geohrfeigt.
    „Ich dachte wirklich, nach all dem, was ich gesagt und getan habe … Ich hoffte auf … Isabelle, Sie verlangen zu viel von mir!“, rief er heftig. „Was soll ich tun, um Ihnen zu beweisen, dass … soll ich etwa mit einem Dolch spielen wie Ihr unglückseliger Cousin?“
    Isabelle wurde blass und legte ihre Hand auf seinen Arm. „Alexander, bitte, sprechen Sie nicht so! Sie machen mir Angst!“
    „Es tut mir leid, ich wollte Sie nicht erschrecken. Versprechen Sie mir einfach nur, dass Sie morgen mit mir nach England reisen werden.“
    „Das … das kann ich nicht. Es wäre … Sie müssen alleine zu Ihrer Familie zurückkehren, ich bitte Sie. Aber ich versprechen Ihnen, dass ich ein Jahr lang  warten werde ...“
    „Mein Gott, Isabelle!“, rief Hamilton und sprang auf. „So sehr ich Ihre Vernunft bewundere und schätze, aber in diesem Fall wäre es mir lieber, Sie würden sich ausnahmsweise einfach so benehmen wie andere … so wie eine junge Frau, der der Mann, den sie liebt, soeben einen Antrag gemacht hat. Was hat man in diesem Internat eigentlich aus Ihnen gemacht? Offensichtlich ein gefühlloses Wesen. Verstehen Sie überhaupt, was ich tun will? Ich bin bereit, mich ohne jedes Bedauern von Verwandten und Freunden zu trennen, meine Hoffnungen auf beruflichen Erfolg aufzugeben, meine Heimat für viele Jahre zu verlassen, mein ganzes Leben für Sie zu ändern, ja aufzugeben – und was tun Sie? Sie sitzen da wie eine Statue ...“
    Hamilton war bei diesen Sätzen nervös im Zimmer auf und ab gegangen, jetzt trat er ungestüm ans Fenster, riss es auf und lehnte sich so weit wie möglich hinaus, um die kühle Nachtluft einzuatmen. Er ahnte nicht, dass es auf Isabelle so wirkte, als wolle er sich voller Verzweiflung aus dem Fenster stürzen. Sie stieß einen unterdrückten Schrei aus, sank von ihrem Sessel herab auf die Knie und begann, überwältigt von ihren mühsam unterdrückten Gefühlen, heftig zu schluchzen. Hamilton drehte sich um, vergaß augenblicklich seinen Zorn über ihre unerwartete Zurückhaltung, stürzte zu ihr und zog sie behutsam an sich, während er flüsternd Entschuldigungen und zärtliche Worte stammelte.
    „Bitte wein nicht, Liebes, verzeih mir, bitte wein nicht … Ich weiß, dass du mich liebst, auch wenn du es mir jetzt nicht sagen kannst …“
    Sie beruhigte sich allmählich in seinen Armen, und als seine Lippen schließlich zärtlich und fordernd zugleich die ihren berührten, erwiderte sie seinen Kuss nach kurzem Zögern mit unerwarteter Leidenschaft.
     
    Am nächsten Morgen reiste das verliebte Paar kurz nach dem Frühstück ab. Hamilton wollte schon eine Woche später wieder in England sein – nachdem er Isabelle in Gredna Green geheiratet hatte. Sie würde wahrscheinlich ein ganzes langes Jahr in Moosingen auf ihn warten müssen, aber nicht als seine Verlobte, sondern als seine Frau. Was sein Onkel Jonathan dazu sagen würde? Man kann es sich denken. Er würde seinen Lieblingsneffen als albernen Narr beschimpfen, der seine glänzende Zukunft opfert, nur weil er sich verliebt hat, ihm die Tür weisen und ihn enterben – um sich Jahre später daran zu erinnern, dass er seine Gattin einst selbst in Greda Green geheiratet und einen kleinen Familienskandal verursacht hatte. Dann würde er einen Brief schreiben und Hamilton bitten, München zu verlassen und mit seiner Frau und den Kindern nach England zurückzukehren und in einen Flügel seines großen Landsitzes einzuziehen, ehe er dieses Haus samt den Ländereien als Erbe ganz übernehmen könnte.
     
     
     
     
     
     
     
    Impressum
    Buchtitel: Die Versuchung
    Originalausgabe Berlin 2012
    Autorin: Jemima Montgomery
    Übersetzung: Petra Foede
    Lektorat/Redaktion: Petra
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