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Die Versuchung

Die Versuchung

Titel: Die Versuchung
Autoren: Jemima Montgomery
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Art gibt, in dieser Jahreszeit zu reisen“, sagte Hamilton leise auf Französisch zu Isabelle.
    „Ich fürchte, es wäre sehr unpassend … es wäre unschicklich, wenn ich weiter mit Ihnen reise ...“
    „Dieses Dampfschiff ist nichts anderes als ein schwimmendes Hotel, wir sind darauf nicht allein“, antwortete Hamilton ruhig. „Und wenn ich daran denke, dass wir bereits ein ganzes Jahr unter einem Dach gelebt haben und Sie in mir vermutlich so etwas wie einen Verwandten sehen ...“
    „Das stimmt“, sagte Isabelle, „aber trotzdem ...“
    „Vergessen Sie nicht, dass Sie frühestens in drei Tagen eine Antwort auf Ihren Brief erhalten werden. Und ob wir die folgende Nacht in Köln oder in Mainz verbringen, ist völlig gleichgültig. Ich möchte Ihnen zu gern den Rhein zeigen, den Sie sonst vielleicht nie sehen werden. Es würde mir sehr viel bedeuten, eine solche Fahrt auf dem Rhein mit Ihnen zu unternehmen, an die ich in England mit Freude zurückdenken kann ...“
    Die letzten Sätze sprach Hamilton halb pathetisch, halb flehend, und Isabelle gab ihren Widerstand gegen seine Pläne auf, die ihren eigenen geheimen Wünschen so entgegen kamen.
     
    Hamilton und Isabelle stiegen im Hotel Bellevue in Köln ab.
    „Was für ein hübsches Zimmer!“, sagte Isabelle, als ihr Gepäck gebracht wurde. „Von hier hat man eine wunderbare Aussicht auf den Rhein. Ich würde wirklich eine Woche bleiben, wenn ich könnte.“
    „Ich hätte nichts dagegen“, sagte Hamilton lachend, „obwohl ich gerade erfahren habe, dass so viele Fürsten und Herzöge im Haus sind, dass ich auf dem Sofa in diesem Zimmer schlafen muss, wenn Sie nichts dagegen haben, weil nur diese eine Suite noch frei ist.“
    In diesem Augenblick klopfte es und der Kellner trat ein und fragte, ob der Herr mit seiner Gemahlin hier oder an der table d'hôte zu Abend essen wolle.
    „Hier“, sagte Hamilton und drehte sich verlegen zu Isabelle um, die dem Kellner mit verstörtem Blick nachsah.
    „Hat Sie der einfältige Irrtum des Kellners so sehr erschreckt?“, fragte er mit gespielter Naivität.
    „Das war kein einfältiger Irrtum, sondern eine ganz logische Annahme.“
    „Sie meinen wegen des Zimmers? Keine Sorge, ich werde Ihnen die Suite allein überlassen und versuchen, ein Zimmer in einem anderen Hotel jenseits des Rheins zu bekommen.“
    „Ich fürchte, Sie halten mich für sehr egoistisch“, sagte Isabelle.
    „Ganz und gar nicht.“
    „Dann für übertrieben prüde.“
    „Ein wenig.“
    „Sie haben recht“, sagte sie seufzend, „nachdem ich mit Ihnen auf diese … diese höchst leichtsinnige Weise gereist bin, ist jeder Versuch, prüde zu erscheinen, töricht und lächerlich. Es hindert Sie nichts, in diesem Zimmer zu schlafen, wenn Sie nicht fürchten, dass das Sofa zu unbequem ist.“
    „Doch, es hindert mich etwas – nämlich, dass Sie es nicht möchten. Ich werde mich gleich auf den Weg über die Brücke machen ...“
    „Wollen Sie nicht lieber bis nach dem Abendessen warten?“
    „Nein, es ist sicher besser, wenn ich ...“
    In diesem Moment trat der Kellner mit dem Abendessen ein und sie setzten sich etwas verlegen an den Esstisch. Sie hatten kaum ihre Servietten niedergelegt, als der „einfältige“ Kellner wieder erschien und erklärte, dass gleich ein Musikkorps im Garten spielen werde – vielleicht wünsche die gnädige Frau, dass für sie ein Tisch und ein Stuhl frei gehalten werden? Hamilton lehnte das Angebot freundlich ab, ohne Isabelle anzusehen, nahm dann seinen Hut und seine Jacke und eilte aus dem Zimmer. Gut eine Stunde später kehrte er schlecht gelaunt zurück, und seine Laune besserte sich auch nicht durch die Tatsache, dass Isabelle sich bereits in ihr Schlafzimmer zurückgezogen und die Tür verschlossen hatte. Er ging einige Minuten ruhelos auf und ab und klopfte dann.
    „Gute Nacht!“, rief Isabelle.
    „Es tut mir leid, Ihnen sagen zu müssen, dass in keinem annehmbaren Hotel in der Nähe ein Zimmer zu bekommen war. Unser Dampfschiff legt morgen sehr früh ab und da ich so leicht verschlafe, hielt es für das Beste, Sie zu fragen, was ich tun soll.“
    „Das tut mir sehr leid ...“, begann Isabelle.
    „Mir auch!“, sagte Hamilton. „Aber da es nun einmal nicht zu ändern ist, wollte ich Sie fragen, ob Sie vielleicht noch für eine Stunde herauskommen, um mit mir zu plaudern.“
    „Ich gehe gerade zu Bett – ich bin müde!“
    „Haben Sie etwas dagegen, wenn ich eine Zigarre rauche, wenn ich
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