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Die Versuchung

Die Versuchung

Titel: Die Versuchung
Autoren: Jemima Montgomery
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geküsst, aber er beherrschte sich.
    Sie erzählte, dass sie mit einer Freundin von Mademoiselle Hortense zunächst bis nach Würzburg gereist sei, die darauf bestanden habe, dass sie einen Tag bei ihr bleibe, um sich auszuruhen. Sie habe ihr auch geraten, nicht die ganze Nacht bis nach Frankfurt durchzufahren, sondern in Augsburg zu übernachten. Hamilton habe sie erst an der Stimme erkannt, als er nach einem Hotel gefragt habe und ausgestiegen sei – vorher hatte er stundenlang kein Wort gesprochen..
    „Was für ein wunderbarer Zufall, dass wir in derselben Kutsche saßen!“, rief Hamilton. „Aber wo ist der Gepäckträger mit unseren sieben Sachen?“
    Sie liefen rasch die Straße hinab und holten ihn ein, als er eben in einen kleinen Torweg einbog.
     
    Am nächsten Tag kamen sie gerade rechtzeitig in Frankfurt an, um im Hotel zu Mittag zu essen. Nach dem Essen sagte Isabelle zu Hamilton: „Jetzt, wo wir uns so unerwartet getroffen haben, werden Sie sicher so gut sein und mich zu meinem Antrittsbesuch bei der Baronin Walldorf begleiten.“
    „Sie gehen zur Baronin Walldorf? Das ist ja eine Überraschung!“, sagte Hamilton.
    „Wieso – kennen Sie die Baronin? Wissen Sie etwas über sie?“
    „Ich habe sie in Edelhof getroffen – der alte Graf Zedwitz ist der Pate ihrer Tochter.“
    „Oh, erzählen Sie mir etwas von ihr“, sagte Isabelle. „Erzählen Sie mir alles, was Sie wissen. Werde ich sie wohl mögen?“
    „Ich habe keine Ahnung … Isabelle, ich möchte Sie ohnehin bitten, diese Stelle nicht anzutreten und zu Ihrer Stiefmutter zurückzukehren. Wenn Sie mir nur zehn Minuten zuhören würden, damit ich Ihnen erklären kann ...“
    „Ich kann Ihnen nicht zuhören“, unterbrach ihn Isabelle. „Ich bin eine Verpflichtung eingegangen. Ich habe fest zugesagt, ein Jahr lang bei der Baronin zu bleiben und mit ihr den Winter in Nizza zu verbringen. Nur sie könnte diesen Vertrag ohne Weiteres kündigen. Aber ich möchte gar nicht, dass sie ihn kündigt, ich freue mich auf Südfrankreich.“
    Hamilton schwieg.
    „Lassen Sie uns gehen“, sagte Isabelle und nahm ihre Handschuhe. „Sie werden gewiss nicht länger versuchen, mir die Stelle auszureden, wenn ich Ihnen sage, dass ich das Leben, das ich bei meiner Stiefmutter führen müsste, nicht ertragen könnte. Meine Gewohnheiten und meine Erziehung machen es mir unmöglich, in so einem kleinen Dorf zu leben. Ich habe mir wirklich Mühe gegeben, aber die tägliche Hausarbeit und dieses Einerlei öden mich einfach an. In ein paar Monaten würde ich mich fühlen wie eine verdorrte Pflanze. Als Gouvernante kann ich nun wenigstens reisen und vielleicht ein paar interessante Leute kennen lernen.“
    Sie nahmen eine Kutsche zur Adresse der Baronin. An der Wohnungstür wurden sie von einem stattlichen Diener empfangen, der ihnen zu ihrer Verblüffung erklärte, Mademoiselle Rosenberg werde nicht erwartet – die gnädige Frau sei gar nicht da, sondern vorgestern nach Mainz abgereist.
    „Und – wann kommt sie zurück?“, fragte Isabelle.
    „Das kann ich Ihnen nicht sagen, Mademoiselle. Sie hat einen Brief erhalten und ist sehr plötzlich abgereist. Meistens bleibt sie nur ein paar Tage, manchmal aber auch länger.“
    Nach dieser Überraschung beschlossen Hamilton und Isabelle, zu Fuß zum Hotel zurück zu gehen.
    „Die Baronin hat sicher einen guten Grund gehabt, so plötzlich nach Mainz zu reisen“, sagte Isabelle.
    „Das ist wahrscheinlich“, antwortete Hamilton. „Trotzdem ist es seltsam, dass sie es offenbar versäumt hat, Ihre Ankunft anzukündigen und entsprechende Anweisungen zu erteilen. Immerhin hat sie Sie in ihr Haus bestellt.“
    „Ich weiß wirklich nicht, was ich jetzt tun soll“, sagte Isabelle seufzend. „Diese Sache ist äußerst unangenehm. Wenn die Baronin nicht in ein paar Tagen wieder hier ist, habe ich kein Geld mehr, um weiter das Hotelzimmer zu bezahlen und auch kein Geld mehr für die Heimreise.“
    „Machen Sie sich darüber keine Sorgen, ich kann die Kosten selbstverständlich für Sie auslegen und dann später mit Ihrer Mutter abrechnen. Aber natürlich werde ich Sie nicht verlassen, bis Sie entweder Ihre Stelle bei dieser gedankenlosen Dame angetreten haben oder wieder sicher in München sind. Und wenn Sie mich fragen, so kann die Baronin gerne sechs Wochen in Mainz oder anderswo verweilen.“
     
    23
    Während Hamilton am folgenden Tag nach dem Mittagessen zu seinem Bankhaus ging, blieb Isabelle in ihrem
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