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Die Toten befehlen

Titel: Die Toten befehlen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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Abhang hinabzog.
    Doch kaum hatte er den Kopf gewandt, als in kurzer Entfernung ein roter Feuerstrahl zwischen den Tamarisken aufleuchtete und er einen heftigen Schlag an der Brust verspürte.
    Es ist nichts! dachte er.
    Aber in demselben Moment lag er rücklings am Boden.
    Es ist nichts! dachte er nochmals.
    Instinktiv wälzte er sich herum, stützte sich auf dielinke Hand und hob in der anderen den Revolver. Immer wieder redete er sich ein, es wäre ihm nichts geschehen. Doch der Körper weigerte sich plötzlich, seinem Willen zu gehorchen. Er hatte das Empfinden, an den Boden gefesselt zu sein.
    Die Zweige der nächsten Sträucher bewegten sich langsam, als drängte ein Tier sich vorsichtig hindurch. Dort war der Feind. Zuerst kam sein Kopf hervor, dann die Brust, und endlich trat er ganz aus dem Gebüsch heraus.
    Mit der rapiden Vision, die der Mensch in Todesgefahr hat, wenn die Erinnerungen des ganzen Lebens flüchtig wie ein Blitz vorüberziehen, dachte Febrer an seine Jugend, als er, in seinem Garten in Palma scheinbar verwundet am Boden liegend, einen Kampf mit eingebildeten Gegnern ausfocht. Heute würde ihm diese phantastische Laune von Nutzen sein.
    Deutlich sah er vor dem Visier seines Revolvers die dunkle Gestalt seines Feindes. Aber von Sekunde zu Sekunde trübte sich sein Blick, als ob die Nacht sich verdunkelte.
    Behutsam kam der Vèrro mit schußbereiter Waffe näher, zweifellos, um ihm den Rest zu geben.
    In diesem Moment drückte Jaime ab, einmal, noch einmal und noch einmal, in der Meinung, sein Revolver versage, da er keinen Knall hörte.
    Verzweifelt glaubte er, sein Feind würde jetzt über ihn herfallen. Schon sah er ihn nicht mehr. Eine weiße Wolke legte sich vor seine Augen. Es dröhnte in seinen Ohren.
    Aber als er wähnte, den Vèrro schon über sich zu fühlen, wich der Nebel. Er sah in dem ruhigen Licht der Nacht, wenige Schritte entfernt, einen Körper aufdem Boden liegen, der sich in wilden Konvulsionen krümmte, mit den Nägeln die Erde aufkratzte und ein qualvolles Röcheln ausstieß.
    Dieses Wunder konnte Jaime nicht fassen. Waren es wirklich seine Kugeln gewesen? ...
    Er wollte sich aufrichten. Aber als er sich auf die Hände stützte, griffen sie in eine dickflüssige Lache. Er betastete die Brust und fand sie von einer warmen Flüssigkeit durchnäßt, die unaufhörlich in dünnen Fäden herablief. Er versuchte, die Füße anzuziehen, um zu knien. Aber die Beine gehorchten ihm nicht. Da erst war er überzeugt, daß man ihn verwundet hatte.
    Seine Augen verloren ihre Klarheit. Er sah den Turm doppelt, dann dreifach und schließlich einen ununterbrochenen, steinernen Wall, der sich bis zur Küste hinabzog und im Meere verschwand. Im Munde spürte er einen herben Geschmack. Es schien ihm, als tränke er etwas Warmes, Starkes. Aber durch eine Laune seines Organismus gelangte diese seltsame Flüssigkeit nicht von außen, sondern aus dem Innersten seines Körpers auf seinen Gaumen. Die schwarze Masse, die sich, wenige Schritte von ihm entfernt, in dumpfem Stöhnen auf dem Boden umherwälzte, nahm ungeheure Proportionen an. Schon war es ein apokalyptisches Tier, ein Ungetüm der Nacht, das, wenn es sich krümmte, bis an den Himmel reichte.
    Lautes Hundegebell und menschliche Stimmen verjagten diese phantastischen Blendwerke. In dem Dunkel schimmerten Lichter auf.
    »Don Jaime! Don Jaime!«
    Was war das für eine weibliche Stimme? Wo hatte er sie schon einmal gehört? ...
    Er sah schwarze Schatten, die sich bewegten, sichüber ihn beugten und in den Händen rote Sterne trugen. Auch bemerkte er, wie eine kleine Figur, in deren Hand ein weißer Blitz leuchtete, sich auf das in krampfhaften Zuckungen liegende Ungeheuer stürzte, aber von einem größeren Mann zurückgerissen wurde.
    Dann sah er nichts mehr. Er fühlte noch, wie ein paar weiche Arme seinen Kopf umfaßten. Die Stimme, die er vorher gehört hatte, klang zitternd und tränenerfüllt von neuem an sein Ohr, mit einem Beben, das sich seinem ganzen Körper mitzuteilen schien.
    »Don Jaime! Ach, Don Jaime!«
    Auf seinem Munde spürte er einen zarten Druck, immer stärker, immer heftiger, bis er zu einem wilden, verzweifelten Kuß wurde.
    Bevor er das Bewußtsein verlor, lächelte der Verwundete schwach, als er über sich zwei von Liebe und Schmerz erfüllte Augen erkannte, die Augen Margalidas.

IV.
    Als Febrer aus seiner Betäubung erwachte, fand er sich in einem hochbeinigen Holzbette, vielleicht dem Margalidas wieder.
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