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Die Toten befehlen

Titel: Die Toten befehlen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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möglich, sie für immer zu verlassen? ...
    Aber diese grausamen Zweifel dauerten nicht lange. Margalida liebte ihn wohl nicht, denn seinen drängenden Fragen war sie immer nur mit unerklärlichen Tränen oder einem Stillschweigen begegnet, das ihn in Verwirrung setzte. Warum sollte er weiter den Kampf mit der ganzen Insel aufnehmen, nur wegen eines Mädchens, von dem er nicht einmal sicher wußte, ob es sein Gefühl erwiderte?
    Die Freude über die guten Nachrichten machte ihn skeptisch. Niemand stirbt an der Liebe! Es fiel ihm sehr schwer, die Insel zu verlassen, und voller Wehmut würde er am nächsten Morgen zum letzten Male auf die blendendweißen, afrikanischen Gebäude von Can Mallorqui zurückschauen. Aber einmal aus diesem Milieu gelöst und zu seiner früheren Lebensweise zurückgekehrt, dachte er vielleicht mit leichtem Lächeln an diese Leidenschaft für die Tochter eines früheren Pächters seiner Familie.
    Noch eine Nacht in diesem einsamen Turm – und am nächsten Abend auf der Terrasse eines Cafés in Palma, wo beim Licht der elektrischen Bogenlampen elegante Wagen fuhren und schönere Frauen als Margalida die Blicke auf sich lenkten. Nach Mallorca! Den Palast der Febrer hatte sein Freund Pablo opfern müssen, aber für ein kleines, sauberes Häuschen im Terreno oder einem anderen Viertel am Meer genügten seine Mittel. Dort würde er nicht mehr unter der Einsamkeit zu leiden, noch Anlaß haben, sich beschämt zu fühlen, denn auch ein Zusammentreffen mit Benito Valls und seiner Tochter, die er ohne ein Wortder Erklärung auf solche ungehörige Weise verlassen hatte, war ausgeschlossen. Wie Don Benitos Bruder in seinem Briefe erzählte, lebte der reiche Chueta jetzt in Barcelona, um besser für seine Gesundheit sorgen zu können. Aber eigentlich bezweckte er mit dieser Reise nur, fern von den Vorurteilen, die sich ihm trotz seiner Millionen auf Mallorca entgegenstellten, einen Schwiegersohn zu suchen.
    Bei Einbruch der Dunkelheit brachte Pepet das Abendbrot. Während Febrer frohgelaunt mit gutem Appetit aß, suchte der Junge mit spähenden Augen vergeblich den Brief, der seine Neugier erregt hatte. Jaime neckte ihn mit seiner bevorstehenden Rückkehr ins Seminar, doch das Kaplanchen machte bei diesen Scherzen ein tiefbekümmertes Gesicht. Um ihn zu trösten, versprach Jahne ihm ein Geschenk, etwas so Schönes, wie Pepet sich gar nicht ausdenken könnte. Mit strahlender Miene hörte der Junge zu und ging mit froher Erwartung heim.
    Jaime schloß die Tür und überlegte, was er mit seinem Hab und Gut im Turm beginnen sollte. In einer alten, geschnitzten Holztruhe lag zwischen duftenden Kräutern, von Margalida sorgfältig zusammengefaltet, der Anzug, den er bei seiner Ankunft getragen hatte. Er nahm ihn heraus, denn er wollte die Insel am nächsten Morgen ebenso verlassen, wie er gekommen war. Mit einem leichten Schrecken dachte er an die Marter, sich wieder in Schuhe und Kragen einzwängen zu müssen.
    Alles andere blieb für Pèp, außer der Flinte, die er für Pepet bestimmte. Er lächelte beim Gedanken an die Überraschung des kleinen Seminaristen, wenn er dieses Geschenk erhielt, das etwas spät kam ... Aberwenn Pepet erst einmal Kaplan in einem Kirchspiel der Insel sein würde, konnte er sie immer noch benutzen, um auf die Jagd zu gehen!
    Wieder zog er den Brief vom Kapitän Valls aus der Tasche, als könnte er bei jedem Lesen noch etwas Neues in ihm entdecken. Dieser gute Pablo! Und sein Rat kam zur rechten Zeit! ... Er riß ihn von Ibiza im geeigneten Augenblick los, gerade, als Jaime sich in offenem Krieg mit diesem rohen Volk befand. Er stimmte dem Kapitän bei. Warum führte er hier ein Robinsondasein, wenn er nicht einmal den Frieden der Einsamkeit genießen durfte?
    Sein Leben auf der Insel erschien ihm jetzt absurd und lächerlich. Er dachte mit Mitleid und Scham an diesen Verrückten, der am vorhergehenden Tage mit der Flinte in die Berge gewandert war, um einen früheren Sträfling zu einem barbarischen Duell herauszufordern. Als ob das ganze Leben des Planeten sich auf diese kleine Insel konzentrierte, auf der man töten mußte, um nicht selbst getötet zu werden! Als ob es keine Möglichkeiten außerhalb des blauen Gürtels gäbe, der dieses kleine Häuflein Menschen umschlang, deren primitive Seele in den Gewohnheiten vergangener Jahrhunderte versteinert war! ... Welcher Wahnsinn! Gott sei Dank, es war die letzt Nacht. Morgen würde alles nur noch eine Reihe von interessanten
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