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Die Toten befehlen

Titel: Die Toten befehlen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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Pèps und seines Sohnes, die ihn auf beiden Seiten stützten, war es ihm gelungen, sich bis zum Gehöft zu schleppen. Zwei weiche zitternde Hände hatten seinen schwankenden Kopf gehalten. Aber diese Bilder waren verschwommen, in Nebel gehüllt, wie die konfusen Erinnerungen an Taten und Worte am Tage nach einem Rausche.
    Von tödlicher Schwäche erfaßt, hatte sein Kopf einen Halt auf Peps Schulter gesucht. Seine Kräfte ließen ständig nach, als entwiche das Leben mit demununterbrochen auf Brust und Rücken herabrieselnden Blut. Hinter ihm ertönten schwere Seufzer und abgerissene Worte, die alle himmlischen Mächte um Schutz anflehten. Das wilde Pochen in seinen Schläfen kündigte eine neue Ohnmacht an. Trotzdem machte er übermenschliche Anstrengungen, um seine ganze Energie auf die Beine zu konzentrieren. Mit der qualvollen Angst im Herzen, jeden Augenblick auf dem Wege sterbend zusammenzubrechen, kam er Schritt für Schritt vorwärts. Endlos dehnte sich der Weg nach Can Mallorqui! Wie lange dauerte diese unerhörte Marter! Stunden ... Tage ...
    Als hilfsbereite Arme ihn auf das Bett legten und entkleideten, hatte er das erlösende Gefühl wohltuender Ruhe. Nie wieder sich aus diesen weichen Kissen erheben! So ausgestreckt liegenbleiben bis ans Ende der Tage!
    Blut! ... Überall Blut! Auf Rock und Weste, die wie nasse Lumpen am Fuß des Bettes niederfielen. Die schneeweißen Bettücher waren davon durchtränkt. Das Wasser in dem Eimer, das Pèp zum Waschen der Wunde benutzte, färbte sich rot und mußte immer wieder gewechselt werden. Jeder leise Ruck, mit dem er Jaimes Wäsche allmählich löste, ließ den Körper des Verwundeten erschauern.
    Die Frauen brachen in Wehrufe aus. Margalidas Mutter verlor alle Fassung, faltete die Hände und betete verzweifelt:
    »Heilige Himmelskönigin, laß ihn nicht sterben!«
    Febrer, dem das Ausruhen seine Kaltblütigkeit wiedergegeben hatte, war über dieses Jammern erstaunt. Er fühlte sich wohl. Warum regten sich die Frauen derartig auf?
    Margalida öffnete Truhen und Fächer, um Leinwand und Binden zu suchen, ohne sich durch die aufgeregten Rufe ihres Vaters beirren zu lassen.
    Der gute Pèp, der, fahle Blässe auf seinem braunen Gesicht, den Verwundeten behandelte, gab unaufhörlich Befehle.
    »Binden, mehr Binden! Ruhe, ihr Frauen! Laßt doch das ewige Stöhnen! Kommt lieber her und helft mir, den Herrn auf die Seite zu legen, damit ich den Rücken untersuchen kann.«
    In seiner Jugend hatte der friedfertige Pèp oft schlimme Sachen miterlebt und verstand sich daher auf die Behandlung von Wunden. Als der Oberkörper ganz von Blut gereinigt war, sah man zwei Löcher, das eine in der Brust und das andere im Rücken.
    »Gut«, sagte er, »die Kugel hat den Körper durchbohrt. Man braucht sie nicht mehr herauszuziehen, und das ist schon ein großer Vorteil.«
    Vergebens versuchte er, mit seinen ungeschickten Bauernhänden Charpiepfropfen möglichst behutsam in diese blutenden, von zerrissenem Fleisch umgebenen Löcher zu stecken, aus denen das Blut unaufhörlich hervorquoll. Margalida runzelte die Stirn und schob, den Blick des Verwundeten vermeidend, Pèp beiseite.
    »Laß mich, Vater, ich glaube, ich verstehe das besser.«
    Und Jaime hatte auf seinem wunden Fleisch das Gefühl kühlender Frische, als die weichen Finger des jungen Mädchens ihn mit sorgsamer Zartheit berührten.
    Der Optimismus, der ihn beseelte, als er beim Turme niederfiel, brach wieder durch. Schon jetzt fühlte er sich so viel besser, daß von einer schwerenVerwundung sicher nicht die Rede sein konnte. Er lächelte den Frauen zu, um sie zu beruhigen. Aber als er versuchte, das erste Wort auszusprechen, empfand er eine unendliche Schwäche.
    Pèp machte ihm ein Zeichen, still zu sein, und sagte ernst:
    »Ruhig, Don Jaime, Sie dürfen sich nicht bewegen. Der Arzt wird gleich hier sein. Ich habe Pepet auf mein bestes Pferd gesetzt, um ihn von San José zu holen.«
    Als er sah, daß Jaime mit weitgeöffneten Augen ihn weiter freundlich anlächelte, versuchte Pèp, den Verwundeten etwas abzulenken.
    »Ich schlief ganz fest«, begann er zu erzählen. »Erst die Rufe meiner Frau, die mich schüttelte und heftig am Arm zog, und die lauten Schreie der Atlòts weckten mich. In der Richtung des Turmes fielen Schüsse. Ich steckte sofort die Laterne an, meine Frau nahm die Küchenlampe, und dann stürzten wir mit den Kindern die Anhöhe zum Turm hinauf. Zuerst trafen wir auf den Ferrer, der im Sterben lag. Sein
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