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Die Toten befehlen

Titel: Die Toten befehlen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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nebligen Meeren des Nordens. In Flandern und den hanseatischen Republiken führten sie die keramischen Erzeugnisse der valenzianischen Mauren ein. Da nur Schiffe von Mallorca diese Waren brachten, nannte man sie im Norden »Majolika«. Das ständige Befahren der Meere, die von Piraten unsicher gemacht wurden, hatte aus dieser Familie von reichen Kaufleuten ein Geschlecht tapferer Krieger gemacht. Im Mittelmeer führten sie erbitterte Kämpfe mit türkischen, griechischen und algerischen Korsaren; im Norden trafen sie auf englische Piraten. Einmal enterten ihre Galeeren sogar am Eingang des Bosporus die genuesischen Schiffe, die den Handel mit Byzanz monopolisierten.
    Später wandte sich diese Dynastie seefahrender Krieger von der Handelsschiffahrt ab, vergoß ihr Blut für die spanischen Könige und den katholischen Glauben und ließ ihre Söhne in den Malteserorden eintreten.
    Von dem Tage der Taufe an führten die jüngeren Söhne des Hauses Febrer, auf ihre Windeln genäht, das weiße Kreuz mit den acht Spitzen, dem Symbol der acht Seligpreisungen. Sobald sie erwachsen waren, befehligten sie die Galeeren des kriegerischen Ordens und beendigten ihre Tage auf Mallorca als Komture von Malta. Von ungläubigen Sklavinnen gepflegt, erzählten sie dann den Großneffen von ihren Abenteuern und Heldentaten. Wenn spanische Monarchen nach Mallorca kamen, wo sie im Alcazar de la Almudaina wohnten, unterließen sie nie, die Febrer in ihrem Palastzu besuchen. Wo immer Spaniens Fahnen wehten, waren die Febrer vertreten: Admiräle der königlichen Flotten und Gouverneure von überseeischen Besitzungen der Krone. Viele auch schliefen auf Malta den ewigen Schlaf in der Kathedrale von La Valette.
    Die Börse von Palma, ein vornehmer, gotischer Bau in der Nähe des Hafens, war jahrhundertelang ein Lehen der Familie gewesen. Alles, was die Schiffe auf der nahen Mole ausluden, war für die Febrer. In dem ungeheuren Saale der Börse, dessen gewundene Säulen sich in der Dämmerung der Gewölbe verloren, empfingen Jaimes Ahnen mit königlichem Prunk Besuche aus allen Teilen der Welt. Ein Gewirr bunter Trachten füllte die weite Halle: Seefahrer aus dem Orient in weiten Pluderhosen und karmoisinroten Mützen, genuesische und provençalische Schiffsherrn mit kurzen Umhängen und mönchsartiger Kapuze, Kapitäne von Mallorca mit verwegenen Gesichtern unter der roten, katalonischen Zipfelmütze.
    Die Kaufleute von Venedig sandten ihren Freunden auf Mallorca Möbel aus Ebenholz, eingelegt mit Elfenbein und Lapislazuli, und große Spiegel mit bläulich schimmerndem Glase in Rahmen von Kristall. Von Afrika brachten die Schiffe Bündel von Straußenfedern und Elfenbeinzähnen. Diese und andere Schätze schmückten die Säle des Palastes, die von dem Duft fremdländischer Essenzen durchzogen waren, Geschenke ihrer asiatischen Freunde.
    Die Febrer, durch Jahrhunderte die Vermittler zwischen Orient und Okzident, hatten Mallorca zu einem Stapelplatz exotischer Produkte gemacht, die ihre Schiffe nach Frankreich, Spanien und Holland führten. Ein fabelhafter Reichtum war dem Hause zugeflossen.Sogar die spanischen Monarchen wandten sich bei Geldschwierigkeiten an die Febrer. Und dennoch mußte sich Jaime, der Letzte der Familie, als er in der vergangenen Nacht im Kasino alles, was er noch besaß – einige hundert Pesetas – verloren hatte, Geld leihen, um am nächsten Tage nach Valldemosa fahren zu können. Er erhielt es von dem Schmuggler Tóni Clapés, einem ungebildeten, aber sehr intelligenten Manne, für seine Freunde der treueste und uneigennützigste Kamerad.
    Während Jaime sein Haar bürstete, betrachtete er sich nachdenklich in einem alten, halbblinden Spiegel. Sechsunddreißig Jahre alt, konnte er sich nicht über sein Äußeres beklagen. Er war häßlich, aber von einer »interessanten Häßlichkeit«, wie sich eine Frau ausdrückte, die auf sein Leben einen gewissen Einfluß ausgeübt hatte. Dieser Häßlichkeit verdankte er sogar Erfolge bei einigen Liebesabenteuern. Miß Mary Gordon, eine blonde Idealistin, Tochter des Gouverneurs eines englischen Archipels in der Südsee, die nur in Begleitung ihrer Gesellschafterin eine Europareise machte, hatte ihn in einem Münchener Hotel kennengelernt. Seine große Ähnlichkeit mit Richard Wagner machte einen tiefen Eindruck auf sie. Febrer, den diese Erinnerung freute, betrachtete seine gewölbte Stirn, die schwer auf den Augen zu lasten schien; herrischen und ironischen Augen, von starken
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