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Die Toten befehlen

Titel: Die Toten befehlen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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in der Mitte auf einem Sessel, von wo sie Anordnungen traf und den angenehmen Duft der Kasserolen einzog.
    »Sicher ist sie jung«, fuhr Madó fort, um noch mehr von ihrem Herrn zu erfahren.
    »Ja, viel jünger als ich, viel zu jung eigentlich. Etwa zweiundzwanzig Jahre. Ich könnte beinahe ihr Vater sein.«
    Die Alte protestierte. Don Jaime war der schönste Mann auf der ganzen Insel. Sie konnte es mit Recht behaupten, sie, die ihn schon bewundert hatte, als er in kurzen Hosen in dem nahen Pinienwalde vom Schloß Bellver an ihrer Hand spazieren ging.
    »Ist sie auch aus gutem Hause?« fragte sie weiter, unzufrieden mit den lakonischen Antworten ihres Herrn. »Sicher gehört sie einer der ersten Familien von Mallorca an. Aber nein, ich errate es schon. Wahrscheinlich ist sie von Madrid, eine alte Bekanntschaft aus der Zeit, als der Herr dort lebte.«
    Jaime wurde blaß, war einen Augenblick unentschlossen und sagte dann, um seine Verwirrung zu verbergen, mit brüsker Energie:
    »Nein, Madó ..., es ist eine Chueta.«
    Antonia schlug wie vorher ihre Hände zusammen und rief von neuem das heilige Blut Christi an, das in Palma ganz besonders verehrt wird. Aber plötzlich glätteten sich die Runzeln ihres braunen Gesichtes, und lachend sagte sie:
    »Der Herr macht einen Scherz! Wie seinem Großvater gefällt es ihm, die unglaublichsten Dinge mit einer ernsten Miene zu sagen, auf die man hereinfällt. Und ich armer Dummkopf habe alles geglaubt.«
    »Nein, Madó, es ist kein Scherz. Ich heirate eine Chueta, und zwar die Tochter von Don Benito Valls. Zu diesem Zwecke fahre ich heute auch nach Valldemosa.«
    Die leise, zaghafte Stimme, mit der Jaime sprach, und seine niedergeschlagenen Augen nahmen Madó jeden Zweifel. Sie stand da mit offenem Munde.
    »Allmächtiger Gott! ... Allmächtiger Gott! ...«
    Mehr konnte sie nicht hervorbringen. Es kam ihr vor, als ob der alte Palast unter einem Donnerschlage gebebt hätte, als ob die Sonne durch eine Wolke verdunkelt wäre und das Wasser mit bleigrauen Wogen heulend gegen die Hafenmauern einstürmte. Dann sah sie, daß sich nichts geändert hatte, nur sie war erschüttert durch diese ungeheuerliche Neuigkeit.
    »Allmächtiger Gott! Allmächtiger Gott ...!«
    Sie ergriff die leere Tasse und das übriggebliebene Brot und flüchtete sich in die Küche. Das Haus flößte ihr Furcht ein. Irgend jemand mußte in den weiten Sälen umhergehen, irgend jemand, dessen Natur siesich nicht erklären konnte, der aber sicher aus einem jahrhundertlangen Schlafe erwacht war. Dieses Haus besaß ohne Zweifel eine Seele. Wenn die Alte allein blieb, hörte sie, wie die Möbel leise knackten. Die Gobelins bewegten sich; in einem Winkel ertönte die goldene Harfe der Großmutter von Don Jaime. Doch niemals hatte sie Angst verspürt. Aber jetzt, nach dieser unglaublichen Erklärung ... Unruhig dachte sie an die Gemälde in der Ahnengalerie. Was für ein Gesicht würden diese stolzen Herren machen, wenn sie die Worte ihres Nachkommen gehört hätten!
    Madó Antonia wurde ruhiger, nachdem sie den Rest des Kaffees ausgetrunken hatte. Die Furcht wich, nur ein Gefühl tiefer Traurigkeit blieb zurück. Es kam ihr vor, als schwebe Don Jaime in Lebensgefahr. So sollte das große Haus der Febrer enden? Und Gott sollte so etwas dulden? Ein wenig Verachtung für ihren Herrn gewann momentan die Überhand über ihre alte Zuneigung. Welche Schande für seine adelsstolze Tante Dona Juana, die vornehmste und frömmste Dame der ganzen Insel, von den einen aus Spott, von den andern aus Verehrung die »Päpstin« genannt.
    »Auf Wiedersehen, Madó. Abends bin ich zurück.«
    Als die Alte allein war, erhob sie die Arme zum Himmel und erflehte die Hilfe des heiligen Blutes Christi, der Jungfrau von Lluch, Patronin der Insel, und des mächtigen Heiligen Vincenz Ferrer, der so viele Wunder gewirkt hatte, als er auf Mallorca predigte.
    »Noch ein Wunder, heiliger Vincenz«, betete sie, »damit der frevelhafte Plan des Herrn scheitert! Besser, ein Felsblock rollt von den Bergen und sperrt den Weg nach Valldemosa. Besser, der Wagen stürzt umund vier Männer bringen mir Don Jaime auf einer Bahre. Alles eher, als diese Schande!«
    Febrer durchschritt das Empfangszimmer und ging die Treppe hinunter. Wie der übrige hohe Adel von Mallorca hatten seine Großväter grandiose Bauten aufgeführt. Das Vestibül nahm ein Drittel vom ganzen Erdgeschoß ein. Die Treppe mündete oben in eine italienische Loggia, deren Bogen von fünf
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