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Die beiden Seiten der Münze (German Edition)

Die beiden Seiten der Münze (German Edition)

Titel: Die beiden Seiten der Münze (German Edition)
Autoren: Christine Ladan
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Die beiden Seiten der Münze
     
    Sie sah nun bereits zum dritten Mal in dieser Stunde auf die Wanduhr in ihrem Büro. Das Zimmer war hell und freundlich. Einige Zimmerpflanzen belebten die Atmosphäre, an einer Pinnwand hingen die Naturfotos alter Kalenderblätter, die Lynn besonders gut gefallen hatten. Ihr Schreibtisch war voll von Papieren, sie hatte noch einen Berg Arbeit vor sich. Nebenbei aß sie einen Burger und trank einen Shake, die sie gerade vom Imbiss geholt hatte. Eigentlich sollte sie so etwas gar nicht essen, doch Selbstdisziplin stand heute nicht auf dem Programm.
     
    Die Tür ging auf und ihre Kollegin Karin steckte den Kopf durch die Tür: „Möchtest du heute mit mir zum Mittagessen gehen?“ Lynn schüttelte nur den Kopf da sie gerade den Mund voll mit dem letzten Bissen Burger hatte. Nachdem sie geschluckt hatte, meinte sie: „Danke, aber heute geht es nicht. Ich muss noch sehr viel erledigen und habe danach eine Verabredung. Nächste Woche gerne.“ Karin nickte und schloss die Tür wieder.
     
    Die Zeit wollte nicht und nicht vergehen. Die Vorfreude auf den heutigen Nachmittag versetzte sie in Bestlaune. Ihre Freundin Therese hatte ihr einen spannenden Wien-Nachmittag versprochen, den wollten sie in den Katakomben unter dem Stephansdom beginnen. Danach stand noch eine Führung durch das unterirdische Wien auf dem Programm. Lynn wollte schon seit langer Zeit an dieser Führung teilnehmen, war aber bisher noch nicht dazu gekommen.
     
    Doch leider war vorher noch viel Bürokram zu erledigen und seufzend wandte sich Lynn wieder ihrem Bildschirm zu. Sie versuchte, sich zu konzentrieren, als sie lange Zahlenreihen in ihre Tabellenkalkulation eintrug. Das erwies sich wieder einmal als gar nicht so einfach, Konzentration war nicht unbedingt eine ihrer Stärken, vor allem dann nicht, wenn sie geistig eigentlich schon durch das Haupttor des Stephansdoms schlenderte. Es half alles nicht, wenn sie hier nicht rechtzeitig fertig wurde, dann konnte sie den interessanten Nachmittag ohnehin vergessen. Also zwang sie ihre Augen wieder zu den Zahlen und tippte gelangweilt Spalte um Spalte, Reihe um Reihe.
     
    Nach gefühlten zwanzig weiteren Blicken auf die Uhr war es dann endlich soweit – sie war fertig. Fast hätte sie wieder einmal vergessen, die soeben erfassten Daten zu speichern – das passierte ihr öfter und hatte ihr schon mehrmals ein missbilligendes Kopfschütteln ihres Teamleiters eingetragen. Anfangs hatte er ihre Vergesslichkeit noch  mit einem Schmunzeln zur Kenntnis genommen, aber langsam schien der Ärger überhand zu nehmen. Lynn wusste, sie musste sich am Riemen reißen wenn sie ihren Job nicht gefährden wollte.
     
    So schnell wie möglich schloss sie die geöffneten Programme, dann packte Lynn ihre Handtasche und Jacke um das Büro für das Wochenende erst mal zu vergessen. Was geschehen würde, falls sich doch wieder Fehler in ihre Arbeit eingeschlichen hätten, daran wollte sie erst wieder am Montag nachdenken. Als Lynn Richtung Eingang marschierte, verabschiedete sie sich von Gabriela, der Empfangsdame. Lynn und Gabriela verband eine Art lockere Freundschaft. Gabriela war nach eigenen Angaben mit einem Langweiler verheiratet und war Mutter von zwei Kindern. Sie war eine etwas mollige Mittdreißigerin mit blonder Föhnfrisur und meistens viel zu enger Kleidung.
     
    Ihr Tagesablauf war strikt durchgeplant und sie gab Lynn oft zu verstehen, dass sie um ihre Unabhängigkeit beneidete. „Na, was treibst du dieses Wochenende? Ziehst du um die Häuser? Gehst du aus? Vielleicht mit einem süßen Kerl?“ Gabriela versuchte immer wieder, Lynn ihre eigenen Wunschgedanken aufzudrängen. „Nein, ich treffe mich mit einer Freundin.“ antwortete sie. „Freundin, hm...“ Gabriela zog ihre Lippen zu einem Schmollmund: „Wenn ich ausgehen könnte wie du, wüsste ich mir etwas Besseres als eine Freundin.“ Sie grinste anzüglich. Lynn winkte nur und verließ das Büro.
     
    Draußen erwartete sie blendender Sonnenschein, eigentlich gar kein Wetter um sich die Katakomben anzusehen. Lynn war kein Schönwetter-Fan, sie schwitzte leicht, ihr Kreislauf vertrug die Hitze nicht und aufgrund ihrer etwas aus der Form geratenen Figur trug sie niemals kurze Ärmel und Miniröcke. Das erleichterte es keineswegs, die Spätsommertemperaturen zu ertragen. Wie jedes Jahr freute sich Lynn auf den Herbst. Zu dieser Jahreszeit war sie nicht jeden Tag dem direkten Vergleich mit ihren schlanken Kolleginnen,
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