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Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga

Titel: Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Katharina begriff nur mit gnadenloser Klarheit, dass alles zerstört und jeder einzelne Mensch tot war, den sie jemals gekannt hatte. Und es war auch genau so, wie sie selbst gerade schon einmal gedacht hatte: dass sie selbst noch am Leben war, war keine Gnade, sondern die Strafe des unbarmherzigen Gottes, von dem ihr Vater Cedric zeit ihres Lebens erzählt hatte. Sie hatte gesehen, was ihre Fahrlässigkeit angerichtet hatte, und nun war es an ihr, es zu Ende zu bringen.
    Ihr Blick fiel auf etwas Glitzerndes, das neben dem gekreuzigten Priester auf dem Boden lag. Es war ein Messer mit einem sonderbar fremdartig anmutenden Griff und einer langen, beidseitig geschliffenen Klinge, und sie streckte zögernd die Hand danach aus, führte die Bewegung aber nicht zu Ende. Selbstmord kam nicht infrage, denn das wäre eine der sieben Todsünden gewesen, und Katharina mutmaßte zu Recht, dass sie schon genug Schuld auf ihre Seele geladen hatte, dass es für die eine oder andere Ewigkeit der Verdammnis reichte.
    Doch es gab noch einen anderen Weg.
    Nachdem sie das Vaterunser gemurmelt hatte – das einzige Gebet, das sie kannte –, stand sie auf, verließ die Kirche undwandte sich in die Richtung aus der sie vorhin gekommen war. Selbst wenn die Dämonen nicht mehr unten am Strand waren, würde sie sich eben dem Drachen opfern und sich von seinem Feuer verbrennen lassen.
    Sie musste nicht weit gehen. Katharina hatte das Dorf gerade erst ein paar Schritte hinter sich gelassen, als sie Hufschlag hörte, der rasch näher kam. Plötzlich war die Angst wieder da, und ein Teil von ihr wollte einfach herumfahren und davonrennen, so schnell sie nur konnte.
    Stattdessen tat sie genau das Gegenteil und blieb stehen. Selbst wenn sie den Dämonen entkommen könnte – wohin sollte sie gehen? Es gab niemanden mehr, den sie kannte, und keinen Ort, wohin sie noch gehen konnte. Also kämpfte sie ihre Furcht nieder und wartete.
    Der Hufschlag wurde lauter, und nur einen Moment später sah sie eine Anzahl Schatten, die rasend schnell auf sie zu sprengten.
    Sie waren keine Dämonen, auf ihre Weise aber kaum weniger erschreckend: fünf, sieben, schließlich neun gewaltige Schlachtrösser, auf deren Rücken schwer gepanzerte Ritter saßen. Rasend schnell kamen sie näher, kreisten sie ein und brachten ihre Tiere mit groben Bewegungen zum Stehen. Zwei oder drei Speere richteten sich drohend auf sie, und Schwerter wurden scharrend aus ihren Umhüllungen gezogen.
    »Rühr dich nicht!«, herrschte sie eine raue Stimme an. »Eine Bewegung, und du bist tot!«
    Katharina hatte nicht vorgehabt, sich zu rühren. Sie hatte auch keine Angst mehr, sondern musste mit einem Gefühl kämpfen, das ihr vollkommen fremd, auf seine Weise aber beinahe noch schlimmer war: Sie würde nicht sterben, denn bei den Reitern handelte es sich nicht um Dämonen, sondern um schwer gepanzerte Ritter. Nicht einmal die Gnade des Todes sollte ihr gewährt werden.
    Einer der Reiter beugte sich im Sattel vor, zog sein Schwert und richtete die Klinge drohend auf Katharinas Gesicht. »Wer bist du, Junge? Und was ist hier geschehen?«
    Es war dieselbe Stimme, die sie gerade schon einmal gehört hatte, auch wenn sie nur dumpf und kaum verständlich unter dem geschlossenen Visier hervordrang. Der Reiter war sehr groß, mindestens so groß wie Graf Ellsbusch, wenn nicht größer, und ungemein breitschultrig. Er trug Helm, Kettenhemd, eiserne Beinschienen und Handschuhe aus einem dünneren Kettengeflecht, und dazu einen dunkelblauen Wappenrock, auf dessen Brust ein springendes Pferd gestickt war. Auch der Helm wurde von einer gut handlangen Figur gekrönt, die dasselbe Motiv zeigte. Als Katharina nicht gleich antwortete, fuchtelte er drohend mit seinem Schwert, hob aber auch die andere Hand an den Helm und klappte sein Visier hoch. Dahinter kam ein kräftiges Gesicht zum Vorschein, das von einem präzise ausrasierten schwarzen Bart und einem Paar ebenso dunkler Augen beherrscht wurde. Keinen sehr freundlichen Augen.
    »Ich frage dich zum letzten Mal, Bürschchen«, herrschte sie der Reiter an. »Was ist hier passiert? Antworte, oder du bekommst mein Schwert zu spüren!«
    »Ich … bin von hier, Herr«, antwortete Katharina. »Ich lebe hier, und –«
    »Ich bin Guy de Pardeville«, fiel ihr der Ritter ins Wort. »Herr von Schloss Pardeville. Und du solltest mir jetzt besser sagen, was hier passiert ist, bevor meine Geduld endgültig erschöpft ist.«
    »Dämonen, Herr«, antwortete
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