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Die Tochter der Konkubine

Die Tochter der Konkubine

Titel: Die Tochter der Konkubine
Autoren: Pai Kit Fai
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werde nirgendwohin mehr reisen, sagte er mit einer Stimme, in der etwas von dem Mann mitschwang, der er einst gewesen war.
    »Ich muss das Haus, das ich für sie gebaut habe, nicht sehen. Ich kenne jeden Ziegelstein und jedes einzelne Möbelstück dort.«
    Sing antwortete behutsam. »Dein wunderschönes Heim erwartet dich, genauso, wie du es verlassen hast. Und Ah-Kin hat die Gärten gepflegt, als wären es seine eigenen. Er liebt und vermisst dich so … und da wären noch Indie und Angus und all die alten Freunde …«
    Er spürte ihre Bestürzung und senkte die Stimme zu einem Murren. »Warum sollte ich ihre Augen dann mit dem hier beleidigen?« Trotzig zog er seine Kapuze herunter.
    Sing nahm sein verstümmeltes Gesicht in beide Hände und wischte ihm wie einem Kind die Tränen mit den Daumen weg. »Dein Herz ist es, an das sie sich erinnern, deinen Mut und deine Liebe. Die Narben, die du im Kampf davongetragen hast, sind ihnen gleichgültig.«
    Er schüttelte energisch den Kopf. »Für Rache ist es zu spät. Warum Rum auf Wunden gießen, die nicht heilen? Warum den Dreckskerlen, die mich im Stich ließen, einen Blick auf das hier gewähren?«
    Er zog die Kapuze an ihren Platz zurück. »Es gibt nur einen, der gerne sähe, wie ich aussehe, und um Chiang-Wah habe ich mich vor meinem Aufbruch bereits gekümmert. Selbst ein Boxer kommt gegen drei mit Kupferhülsen ausgestattete Kugeln aus einem 45er Colt aus nächster Entfernung nicht an.«

    Er tätschelte die Bank und rieb ihre vertraute Oberfläche. »Diese Bank wird mein Grabstein sein, das ist gut genug für mich.«
    Er bedauerte seinen Ton und setzte freundlicher hinzu: »Ich muss die Vögel füttern und dem Wasser lauschen. In diesem Fluss fanden meine wahren Freunde deshalb ihre letzte Ruhe, weil sie mich verteidigten - wo wir Seite an Seite unserem Schicksal gegenüberstanden und es nahmen, wie es kam.« Wieder tätschelte er die glatte, abgenutzte Bankoberfläche. »Dieser Anlegeplatz war der letzte Ankerplatz der Golden Sky , ehe sie sich ins Jenseits aufmachte. Wenn ich genau hinhöre, kann ich noch immer ihre Stimmen hören.«
    Wieder schwang Trotz in seiner Stimme mit. »Gib mir deine Hand und dein Wort darauf. Ich bleibe hier, tot oder lebendig. Und du erzählst keiner Menschenseele, dass du mich gefunden hast!«
    Sing nahm seine Hand und küsste sie. »Du hast mein Wort, Vater.«
    Über sich oder sein Leben mit Li-Xia wollte er nicht viel sprechen, doch ihr konnte er gar nicht genug zuhören, während er - dem Fluss zugewandt - dasaß und ihre Worte in sich aufnahm wie Schlucke kühlen, süßen Wassers nach einer langen, schrecklichen Durstphase. Gelegentlich stellte er eine Frage, die ihr bewies, dass es mit dem Verstand ihres Vaters allem, was er durchgemacht hatte, zum Trotz noch zum Besten stand. Anfangs schmückte sie die angenehmen Stellen ihrer Geschichte aus, während sie die unschöneren herunterspielte, doch er unterbrach sie und drängte, sie möge einen ehrlichen Bericht ablegen und nichts auslassen, um ihn zu schonen. Jedes Zögern fiel ihm auf, jeder Auslassung kam er zuvor und lachte tief in seiner Brust leise über jeden Triumph, ob groß oder klein.
    Gelegentlich wurde sein steifer, gepeinigter Körper von ungewohnter Fröhlichkeit ergriffen, was Husten - und Keuchkrämpfe zur Folge hatte. Kam er dann wieder zu Atem, wandte er sich mit einem gebrochenen Grinsen an sie.
    »Mach dir keine Gedanken. Ich merke doch, dass du dich sorgst.« Er rang noch immer nach Atem. »Du möchstest doch einen alten Mann nicht davon abhalten, sich totzulachen!«

    Captain Benjamin Jean-Paul Devereaux starb am siebten Tag ihrer Wiedervereinigung im Schlaf. Er hielt den Jade-Handschmeichler so fest umklammert, dass er durch nichts zu entfernen war. Sing hatte gespürt, dass es mit ihrem Vater zu Ende ging, als die langen Tage mit dem Fluss dahinflossen … doch sie hatte auch Zufriedenheit gespürt. Die unter den Apfelbäumen verbrachte Woche, in der sie ihm die wahre Geschichte ihres Lebens erzählt, sein Lachen gehört und seinen Stolz auf sie gespürt hatte, waren die reichsten Stunden ihres Lebens gewesen.
    »Er schied so friedlich dahin, wie es seine persönlichen Götter zuließen«, bemerkte Aggie Gates. »Du hast ihm diesen Frieden verschafft und so viel Glück, wie noch in ihm steckte.«
    Zwei Tage darauf wurde die alte Bank am Anlegeplatz behutsam aus ihrer Verankerung gelöst und beiseitegestellt, während die wenigen, die ihn kannten, Ben
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