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Die Tochter der Konkubine

Die Tochter der Konkubine

Titel: Die Tochter der Konkubine
Autoren: Pai Kit Fai
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Sein Karma ist voller Hass.«
    Es waren tröstliche Worte, aber Sing antwortete dem Abt nicht ohne Bitterkeit: »Auch ich war verloren und gehörte nirgendwohin, bis ich seinen Platz auf dem Felsen einnahm. Ihn trifft keine Schuld. Er hatte ein Recht darauf, mich zu hassen. Ich war es, die in die Welt von yan-jing-shi eintrat und ihm seinen einzigen Traum stahl.«
    Der Abt schüttelte den Kopf. »Es war die Hand To-Tzes, das
Wort seines si-fu , die ihm den Weg versperrten.« Er wedelte mit einer gebrechlichen Hand. »Das wurde bereits entschieden, bevor die Seele deiner Ahnen in deinen Körper eintrat. Du wusstest nichts von dieser Welt und ihren Listen.« Er seufzte tief. »Das Böse hatte ihn schon eingefordert, noch ehe deine Füße die Erde entdeckten. Sein eigenes Herz ist sein größter Feind. Du bist es, die dieses ku-ma-tai überlebt. Das Auge des Tigers ist für immer geschlossen, und das Gift der Schlange gibt es nicht mehr.«
    Abt Xoom-Sai legte Sing die Hand aufs Haupt. »Geh ohne Bedauern, siu-jeh . Er hat hier viele Brüder. Vielleicht wird sein geplagtes Gemüt in der Stille Frieden finden, bis er als einer von uns zur letzten Ruhe gebettet wird.«
    Die Haut seiner Hände wirkte durchsichtig, war jedoch überraschend warm, als er ihr etwas in die Handfläche steckte, das nicht größer als ein Kiesel war. »Trage dies in Frieden und Harmonie. Die Edlen Acht und das Jadeamulett werden hier sicher verwahrt, bis du ihretwegen wiederkehrst.« Vier Novizenmönche in safrangelben Gewändern hoben die Tempelsänfte, als würde ein Kind darin sitzen, und das Schlappen ihrer Sandalen wurde zu einem gleichmäßigen Rhythmus, als Sing von den Lantauer Höhen hinabstieg. Auf halbem Weg nach unten öffnete sie die Hand und entdeckte einen winzigen Goldbuddha, der in der Sonne glitzerte.

36. KAPITEL
    Engelsgarten
    Im Pavillon freudiger Momente saß Sing Devereaux in stiller Kontemplation. Ihr Leben schien beinahe vollständig und der Weg vor ihr bald klar zu sein. Tobys Pflichten hielten ihn an der Grenze oder im Besprechungszimmer des Regierungshauses fest, doch sie hatte mit ihm telefoniert. Das Regiment, so hatte er nüchtern erklärt, bereite sich darauf vor, sein Hoheitsgebiet zu verteidigen.
    Sowohl er als auch Winifred Bramble legten ihr nahe, Hongkong zu verlassen und zu seinen Eltern nach Surrey zu ziehen. Bei dem Gedanken daran hatte sie aufgelacht, die beiden jedoch für ihre Sorge um sie geliebt.
    Auf dem Tisch vor ihr lag eine Akte, die sie mit einer Notiz von Angus Grant erhalten hatte.
    Ich frage nicht, wo Sie gewesen sind, und danke dem Herrn nur, dass Sie wieder da sind. Auf der Suche nach Nachrichten über Ihren Vater habe ich einen weiteren Hinweis gefunden. Unter diesen Papieren befindet sich auch eine Rechnung für ein Stück Land am Whangpoo-Fluss in Shanghai. Das Grundstück wird von der Seemannsmission »Flying Angel« bewohnt, und die Übertragungsurkunde hatte eine gewisse Agnes Gertrude Gates unterzeichnet.
    Ich werde morgen zu Ihnen kommen. Es wird Zeit, den Englischen Garten zu besuchen.
    Es gab Fotos ihres Vaters neben einer stämmigen Frau mit weißem Haarschopf, der ein über beide Backen strahlendes Gesicht umrahmte.
Auch gab es Briefe, die große Wärme, Humor und Vertrauen zwischen ihnen nahelegten. Die offiziellen Dokumente, die sich mit dem Besitz befassten, waren mit dem Siegel der internationalen Organisation der Seemannsmission ›Fliegender Engel‹ versehen.
    Am folgenden Tag nach dem Mittagessen traf Angus ein, nur Augenblicke bevor ein Lieferwagen ankam. Er überwachte das Entladen eines großen, flachen Gegenstandes, der in ein Leinentuch gehüllt war und den zwei Männer vorsichtig in das Esszimmer trugen. »Ich habe eine kleine Überraschung für Sie, aber zuerst schauen wir uns den Englischen Garten an. Es wird ein schwerer Gang, aber ich glaube, Sie sind bereit.«
    Das überwachsene Tor war über und über mit Ketten und Vorhängeschlössern versehen. Angus kämpfte mit dem Rost vieler Jahre und öffnete es schließlich mit einem großen Eisenschlüssel, den er daraufhin Sing übergab. »Das ist der einzige. Ben hat mich schwören lassen, dass außer mir, Indie da Silva und Ihnen, sofern Sie je gefunden würden, niemand von diesem Ort erfahren dürfe.«
    Er drückte das Tor so weit auf, dass sie sich hindurchzwängen konnten. Was einst ein Weg durch einen dichten Hain aus Birken und Lärchen gewesen war, steckte nun knietief in Unkraut und Gestrüpp. Am Rande des
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