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Die Sünde in mir

Die Sünde in mir

Titel: Die Sünde in mir
Autoren: Alegra Cassano
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heute früh einen schwarzen Anzug angezogen. Er sah ganz komisch damit aus.
    „Deine Schwester ist jetzt im Himmel“, sagt Frau Brauer und streichelt mir über den Kopf. Das ist auch so was, was ich nicht verstehe. Ich denke, die Menschen, die sterben, kommen in einen Sarg und werden beerdigt. Wie können sie dann im Himmel sein? Oma hätte mir das sicher erklären können. Soll ich Frau Brauer fragen?
    „Weißt du eigentlich, dass der Mensch eine Seele hat?“, fragt Frau Brauer. Ich denke lange nach. Oma hat mal etwas von einer Seele erzählt, glaube ich. Aber ich habe es wohl vergessen. Deshalb schüttele ich den Kopf.
    „Eine Seele kann man nicht sehen. Sie ist in uns drin. Wenn wir sterben, wird nur der Körper beerdigt. Die Seele fliegt in den Himmel.“
    ‚Aber nur wenn der Mensch brav war‘, denke ich. Wo die Bösen hinkommen, weiß ich nämlich auch.
    „Und warum der Körper nicht?“, frage ich stattdessen.
    „Weil man den im Himmel nicht braucht“, erklärt mir Frau Brauer. Irgendwie finde ich die Vorstellung gruselig. Ich weiß nicht, wie Sabines Seele aussieht, stelle sie mir aber vor, wie ein Gespenst. Vorsichtig schaue ich mich im Zimmer um. Wenn Sabine ein Gespenst ist, ist sie ja vielleicht noch hier und spukt herum. Aber ich kann nichts sehen.
    „Es ist traurig, dass deine Schwester so jung sterben musste“, seufzt Frau Brauer, „mein Sohn ist auch so jung gestorben. Er hieß Peter. Habe ich dir schon mal ein Foto von ihm gezeigt?“
    Ich glaube nicht und sehe mich erwartungsvoll um. Dass Frau Brauer einen Sohn hatte, wusste ich gar nicht. Sie ist aufgestanden und holt ein Fotoalbum aus dem Schrank. Damit setzt sie sich neben mich und schlägt es auf. Vor Schreck bleibt mir der Mund offen stehen. Der Junge auf dem ersten Bild sieht aus wie Christian aus der Kur! Mein Herz bleibt kurz stehen und schlägt dann doppelt so schnell weiter. Das Klopfen kann ich bis in meinen Hals spüren.
    „Das ist er“, sagt Frau Brauer und streichelt mit dem Finger über das Bild, bei dem die Farben ganz blass geworden sind.
    „Er war schon krank, als er geboren wurde, aber wir hatten ihn natürlich trotzdem sehr lieb.“
    Ich starre die nächsten Bilder an, die sie mir zeigt. Am liebsten würde ich weglaufen. Der Kopf des Jungen ist genauso lang gezogen, wie der von Christian es war. Auf manchen Bildern sieht man sogar die Sabberfäden. Es schüttelt mich.
    „Was ist denn?“, fragt Frau Brauer, die etwas gemerkt hat. Ich schiebe meinen Stuhl zurück und laufe zum Badezimmer. Obwohl ich nichts gegessen habe, muss ich mich übergeben. Es kommt nur Flüssigkeit heraus und ich muss immer weiter würgen.
    Ob Sabine jetzt schon mit Erde zugedeckt ist? Ob sie Angst hat? Papa hat einen von ihren kleinen Teddys mitgenommen, obwohl sie den großen am liebsten gehabt hat. Ob er ihr den Teddy wohl noch geben konnte? Dann wäre sie wenigstens nicht so alleine. Am liebsten hätte ich mich auch in den Sarg gelegt. Ich hätte Sabine gerne gesehen, denn ich kann nicht glauben, dass sie wirklich tot ist. Vielleicht hat Wolf sie geholt und meine Eltern wollten mir das nur nicht sagen. Vielleicht ist der Sarg leer! Oder nur der Teddy liegt drin!
    „Geht es dir wieder besser, Liebes?“, fragt Frau Brauer durch die geschlossene Badezimmertür. Ich habe aufgehört zu würgen. Meine Gedanken gehen immer mehr in die Richtung, dass Sabine gar nicht tot ist. Sie ist bei Wolf! Da bin ich mir jetzt ganz sicher.
     
     
     
     
     
     
     
     

Kapitel 94
     
     
     
     
    „Haben Sie den kleinen Häwelmann analysiert, wie ich es ihnen aufgegeben habe?“, wollte Professor Wieland wissen.
    „Ja, natürlich.“ Frank räusperte sich und dachte nach. Der Professor mochte es nicht, wenn man vorlas, was man sich notiert hatte. Ein freier Vortrag war ihm lieber.
    „Die Geschichte ist eine Auflehnung gegen die Erwachsenen beziehungsweise gegen Menschen, die einem Vorschriften machen, hier die Eltern. Der Häwelmann setzt seinen Kopf durch und macht, was er will. Er fährt nachts einfach umher, statt zu schlafen. Der Mond hilft ihm dabei, passt aber auch auf ihn auf. Erst als die Sonne aufgeht, erfährt der Häwelmann Konsequenzen und das gleich sehr drastisch. Das soll den Kindern wohl zeigen, dass man nicht ungestraft davon kommt, wenn man nicht auf die Eltern hören will. Das Ende der Geschichte finde ich ziemlich merkwürdig. Der Häwelmann wird gerettet, aber nicht von den Eltern, wie man denken könnte, sondern vom Vorleser und
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