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Die Sünde in mir

Die Sünde in mir

Titel: Die Sünde in mir
Autoren: Alegra Cassano
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Zuhörer der Geschichte. Das war für die damalige Zeit sicher etwas Außergewöhnliches.“
    „Für Frau Schütz war die Passage wichtig, wo die Mutter einschläft und ihren schreienden Sohn nicht mehr hört. So haben Sie es mir jedenfalls erzählt“, hakte der Professor nach, ohne etwas zu der stümperhaften Analyse zu sagen.
    „Ja, das stimmt. Sie hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen kann, dass das wahr ist.“
    „Ich glaube ja, dass der letzte Abschnitt der Geschichte noch viel mehr Bedeutung für Frau Schütz hatte“, gab der Professor seine Vermutung preis. „Der Häwelmann wird gerettet, egal was er auch Schlimmes angestellt hat. Und gerade, dass es nicht die Eltern waren, ist interessant. Jeder kann der Retter sein.“
    Frank rieb seine gesunde Handfläche über den Oberschenkel und sah an dem Professor vorbei an die Wand.
    „Sie meinen, sie hat auf einen Retter gewartet?“
    Professor Wieland nickte: „Wer tut das nicht?“, gab er zu bedenken, „Jeder, der in einer unangenehmen Situation steckt, wünscht sich doch insgeheim einen Retter. Vielleicht wartet Frau Schütz immer noch darauf.“
    Frank schluckte hart. Wollte der Professor damit sagen, er hätte die Patientin im Stich gelassen?
    „Ich mache Ihnen keinen Vorwurf daraus, dass Sie sich von Frau Schütz in den letzten Tagen ferngehalten haben“, beschwichtigte der Professor sofort, „Sie brauchten vermutlich etwas Abstand. Ich habe Ihnen schon einmal angeboten, den Fall zu übernehmen. Ich wollte Sie davon entbinden, aber Sie hielten damals nichts davon.“
    Frank nickte. Er hatte sich in den Kopf gesetzt, Nicole bis zur Genesung zu betreuen. Nachdem sie ihn angegriffen und gebissen hatte, sah die Sache anders aus.
    „Frau Schütz erinnert sich nicht daran, Sie verletzt zu haben. Sie hat nach Ihnen gefragt. Offenbar ist sie traurig, dass Sie nicht mehr zu ihr kommen. Ich habe ihr gesagt, dass Sie im Moment zu beschäftigt sind.“
    Frank sah auf seinen Verband. Die Wunde hatte sich entzündet und er musste Antibiotika einnehmen. Konnte er Nicole einen Vorwurf machen? Vielleicht hatte er selbst sich ja falsch verhalten, ohne es zu merken.
    „Hat sie denn noch etwas über mich gesagt?“, fragte er und räusperte sich, weil seine Stimme belegt klang.
    „Jedes Mal wenn ich zu ihr gehe, sehe ich die Enttäuschung auf ihrem Gesicht, weil sie Sie erwartet. Offenbar ist ihre Bindung an Sie recht stark.“
    „Macht sie denn Fortschritte?“
    „Wie man’s nimmt. Sie hatte ja erst zwei Sitzungen mit der EKT. Leider mussten wir ihr zusätzlich hoch dosierte Neuroleptika geben. Interessant ist, dass Frau Schütz ihre Tochter Denise für ihre Schwester Sabine hält. Das haben auch die Medikamente bisher nicht ändern können. Aber Denise spielt mit. Sie hätten mal die Freude auf dem Gesicht von Frau Schütz sehen sollen.“
    „Sie haben ihre Tochter zu ihr gelassen, obwohl Nicole mich angegriffen hat?“, fragte Frank überrascht.
    „Ich war die ganze Zeit dabei und hätte sofort eingegriffen, wenn etwas anders verlaufen wäre als geplant. Es bestand keine Gefahr für Denise. Eigentlich hatte ich gehofft, Frau Schütz an ihre zweite Familie erinnern zu können. An die, die sie gegründet hat, nachdem sie ihre Erste bis auf die Mutter verlor.“
    Frank legte den Kopf schief. Irgendetwas an Professor Wielands Worten ließ ihn aufhorchen. Eine zweite Familie? Nicole hatte mit ihrem Ehemann kaum über ihre erste Familie gesprochen. Da schien der Verdrängungsprozess bereits weit fortgeschritten zu sein. Ihre Stammfamilie war fast vollständig aufgelöst worden. Was war, wenn Nicole jemandem dafür die Schuld gab? Wenn sie daran glaubte, jemand hätte systematisch alle Familienmitglieder geholt oder umgebracht? Sein Herz klopfte vor Aufregung schneller, als er seine Vermutung dem Professor vortrug.
    „Dann brauchte es nur noch eine Bedrohung für die neue Familie zu geben, damit sie genug Angst bekam, dass sich alles wiederholen könnte“, erklärte er aufgeregt.
    „Ihr Mann hat mir erzählt, dass sie mit den Kindern immer sehr vorsichtig war. Nie durfte ein Fremder auch nur in den Kinderwagen sehen. Sie ließ die Kleinen nie bei einem Babysitter und der Schritt, die Kinder in einen Kindergarten gehen zu lassen, war sehr schwer für sie. Das könnte Ihre Vermutung untermauern.“
     
     
     
     
     
     
     
     

Kapitel 95
     
     
     
     
    Ich wusste es! Sabine lebt! Ich bin so froh! Jetzt können wir wieder zusammen sein. Warum haben sie
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