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Die Sünde in mir

Die Sünde in mir

Titel: Die Sünde in mir
Autoren: Alegra Cassano
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sehr wenig.
    „So geht das nicht weiter“, hat er einmal zu Mama gesagt. Aber Mama weint immer nur. Ich weiß nicht, wann sie mal genug geweint hat. Sind die Tränen nicht irgendwann mal alle? Mama ist mir unheimlich. Sie hat mich mal gerufen und ich bin an ihr Bett gegangen. Im Zimmer war es dunkel, obwohl es draußen noch hell war.
    „Du bist jetzt die Einzige“, hat Mama gesagt und nach meiner Hand gegriffen. Ich wollte aber gar nicht angefasst werden.
    „Du musst gut auf dich aufpassen. Versprichst du mir das?“
    Ich versprach ihr alles, was sie wollte. Dann holte ich ihr eine neue Flasche Wasser und war froh, wieder in meinem Zimmer verschwinden zu können.
    Ganz schlimm wurde es aber erst, als Papa nicht mehr nach Hause kam.
     
     
     
     
     
     
     
     

Kapitel 97
     
     
     
     
    „Nicole wurde wieder zu uns verlegt“, begrüßte Gisela Frank, als dieser morgens zur Arbeit kam.
    „Wirklich? Dann geht es ihr besser?“
    „Der Professor meinte, dass ich sie vorläufig noch überwachen soll. Jedenfalls wollten die Intensivmediziner sie nicht mehr haben. Nun sind wir also wieder am Anfang.“
    „Nein. So würde ich das nicht sehen“, meinte Frank und spähte über Giselas Schulter auf den Monitor. Nicole lag in dem gleichen Zimmer, wie zuvor und betrachtete offenbar die gemalte Blume an der Wand.
    „Weißt du was, was ich nicht weiß?“, hakte Gisela misstrauisch nach.
    „Die Kombination aus EKT, Medikamenten und Hypnose scheint ihr gut zu tun. Ich habe sie gestern noch besucht und sie wirkte sehr klar. Sie hat mir sogar von ihren Kindern erzählt! Das erste Mal, seit sie hier ist.“
    „Das ist schön“, seufzte Gisela und nickte anerkennend.
    „Ist der Prof schon zurück?“, wollte Frank wissen.
    „Nein. Er ist noch bei Gericht. Aber was sollen sie schon entscheiden? Alle haben doch Angst vor der Durchgeknallten.“ Sie zwinkerte Frank zu. Dieser rieb sich die Kruste auf seinem Handrücken. Es war erst etwas über eine Woche her, seit Nicole ihn gebissen hatte. Unglaublich, welche Fortschritte sie nun machte.
    „Kommt ihre Familie heute?“, wollte Gisela wissen. „Ich bin gespannt, wie sie aussehen.“
    „Ich glaube, ihr Mann wollte auf jeden Fall nachmittags kommen, um mit dem Professor über den Prozess zu sprechen. Ob die Kinder auch mitkommen, weiß ich nicht. Den Sohn habe ich selbst noch nicht kennengelernt.“
    „Wie lange werden sie wohl noch auf ihre Mama verzichten müssen?“, überlegte Gisela.
    „Ich fürchte, noch lange“, meinte Frank betrübt, „nach dem Angriff auf mich, ist die Rückfallgefahr dokumentiert. Ich wollte ja gar nicht, dass der Prof das ins Protokoll nimmt, aber er meinte, so etwas dürfe nicht unter den Tisch gekehrt werden.“
    Gisela nickte bekräftigend: „Da hat er recht. Stell dir mal vor, sie wird entlassen und erleidet dann einen Rückfall, bei dem sie wieder jemanden verletzt. Nein, so sehr mir Nicole ans Herz gewachsen ist, sie darf erst wieder nach Hause, wenn sie absolut ungefährlich ist.“
    „Absolut ungefährlich?“, wiederholte Frank, „So etwas gibt es nicht. Diese Garantie kann dir niemand geben. Sie kann jahrelang völlig friedlich sein und dann geht durch einen Auslöser alles wieder von vorne los. Aber das kann uns allen passieren. Wenn du in die Ecke gedrängt werden würdest, würdest du dich dann nicht verteidigen?“
    Gisela wurde rot. So energisch hatte Frank noch nie mit ihr gesprochen.
    „Ich würde niemanden töten“, sagte sie mit fester Stimme.
    „Ach nein?“, provozierte Frank sie, „Und was wäre, wenn jemand dein Leben bedroht und es gäbe keine andere Möglichkeit als du oder er?“
    Die Schwester schüttelte den Kopf: „Ich weiß nicht. Vermutlich kann man vorher gar nicht sagen, wie man in so einer Situation reagieren würde.“
    „Genau“, stimmte Frank zu, „das kann niemand sagen. Aber das Gericht verlangt vom Professor ein Gutachten, in dem er genau das einschätzen soll. Solche Fälle kennen wir doch aus der Presse. Wenn ein freigelassener Häftling ein erneutes Verbrechen begeht, obwohl der Gutachter ihn als unbedenklich eingestuft hat. Wer bekommt dann die Schuld in die Schuhe geschoben? Der Gutachter!“
    „Reg dich nicht so auf. Ich kann doch auch nichts dafür“, versuchte Gisela den jungen Arzt zu beruhigen.
    „Ich glaube, ich werde die Fortbildung zum forensischen Psychiater nicht machen“, überlegte Frank laut, „ich könnte damit nicht umgehen, wenn ich jemanden entlasse und der
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