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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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viel älter als ich, und Leute, die mager und alt sind und immer viel beten, die sind nun einmal ernst, weil sie die Sorgen des Lebens kennen und daher die Eitelkeiten dieser Welt durchschauen. Ich für mein Teil liebe die Eitelkeiten dieser Welt, aber Nan liebe ich auch, denn sie war, als ich klein war, meine Kinderfrau, und seit ich verheiratet bin, hilft sie mir im Haus oder, besser gesagt, mit den Zimmern. Es wäre unrecht, sie als Dienerin zu bezeichnen, auch wenn ich sie bezahle, das heißt, ich würde sie ja bezahlen, Ehrenwort, aber mein Mann gibt mir nicht genug Haushaltsgeld.
    »Aber es ist dunkel, Nan. Alles ist so grau. Und dann das Pladder, Pladder, Pladder – das macht mich ganz verrückt! Ich muß wieder Vögel hören und mich mit jemandem unterhalten. Frühling! Ich will Frühling haben!« Ich beugte mich über die große, mit Messing beschlagene alte Truhe meiner Mutter, in der einmal meine Aussteuer gelegen hat, und stieß die Fensterläden mit lautem Krach auf. Der Wind pfiff herein, und der Regen sprühte mir mitten ins Gesicht. Unter unserem Vorderfenster klapperte und schwankte das Schild mit der ›Stehenden Katze‹ im peitschenden Regen. Der Rinnstein in der Mitte der Fleet Street war zum reißenden Bach geworden. Die leuchtend bemalten Häuserfronten wirkten grau und trübselig in dem Regen, der nur so vom Himmel herabrauschte. Keine Menschenseele draußen. Nur eine einsame Graugans stakste durch den Morast vor Master Wests Brauhaus, das ›Zur Ziege und zum Krug‹ heißt, und selbst seine Läden waren geschlossen, obwohl nur der Himmel wußte, was im Inneren vorging. Ich beugte mich also aus dem Fenster, schüttelte die geballte Faust und schrie zum überfließenden Himmel hinauf: »Regen, hör sofort auf! Ich brauche Sonne! Ich will Licht haben!«
    »Bist du wohl still!« rief Nan und zog mich an den Röcken ins Zimmer zurück. »Sollen die Leute etwa denken, daß du nicht mehr bei Trost bist? Du wirst mir noch naß und krank! Du erwartest ein Kind, wie kannst du da so verantwortungslos sein. Komm sofort herein und hör mit dem Geschrei auf!« Sie schlug die Fensterläden mit einem Knall zu. »Sieh dich doch an«, schalt sie, »völlig durchnäßt. Was soll nur aus dir werden? Ich habe es deiner Mutter versprochen. Du weißt, ich habe es versprochen. Jetzt setz dich hin, und sei einmal im Leben vernünftig. Ohne Regen würdest du den Sonnenschein gar nicht richtig zu würdigen wissen.«
    »Aber ja doch«, murrte ich. »Ich mag alles, was schön ist. Und das mag ich auch ohne häßliche Dinge.«
    »Dein Herz hängt mehr an Äußerlichkeiten, als dir guttut«, brummte Nan, die sich das Recht, mich zu kritisieren, nicht nur durch lange Dienstjahre, sondern auch durch große Nachsicht hinsichtlich etwas so Unwichtigem wie ihrem Lohn verdient hatte.
    »Master Dallet sagt, daß das äußere Erscheinungsbild sehr wichtig ist, deshalb muß er auch so große Sorgfalt auf seine Kleidung verwenden. Und außerdem darf ich ihm keine Last sein, wenn er Fürsten und Gönnern geziemend gekleidet seine Aufwartung machen muß.« Mein Kopf und meine Schultern waren noch feucht, ich wischte mir also das Gesicht mit dem Ärmel und setzte mich auf die Bank am Feuer, doch das klamme, dunkle Zimmer ärgerte mich immer noch. Aus dem Korb zu meinen Füßen sah mich die Flickarbeit an. Ich bedachte sie mit einem bösen Blick.
    »Vermutlich ist das für ihn Grund genug, deine Mitgift beim Schneider auszugeben und den Trauring deiner Mutter zu versetzen.«
    »Das ist ein Opfer, das jede Frau bringen muß, damit ihr Mann großen Erfolg hat und sein Glück macht. Eine tugendhafte Frau wird für ihre klaglose Geduld auf hunderterlei Weise belohnt, sagt mein Buch. Bedenke doch, in wie viele bedeutende Häuser er schon eingeladen worden ist, und dann der viele Landadel, den er noch malen soll! Er kommt von Tag zu Tag mehr in Mode. Und wenn er dann einen Beutel Gold mit nach Haus bringt und mir ein Seidenkleid kauft, tut es dir noch leid, daß du dich einmal über ihn beschwert hast.« Ich streckte die Füße mit den dicken Strümpfen und den schlichten alten Holzpantinen gerade vor mir aus, ohne den Fußboden zu berühren, um mir meinen alten Rock besser anzusehen, den wir, weil ich in Trauer war, schwarz gefärbt hatten und der überall mit Gips bespritzt war, da ich immer über meine Schürze hinausspritze, und dabei stellte ich mir vor, daß er sich in strahlend saphirblaue Seide, mit einer kleinen Stickerei hier und
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