Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen
Autoren: Judith Merkle-Riley
Vom Netzwerk:
Da spürte er eine verstohlene Bewegung.
    »Nicht so schnell, Master Ludlow. Ist das da etwa ein Beutel mit Münzen, der sich aus eigenem Antrieb unter Euer Gewand verirren will? Zeigt her – aha, Goldmünzen. Noch dazu alte – habt Ihr gewußt, daß ich eine große Vorliebe für alte Münzen habe?« Seine Stimme klang gefährlich sanftmütig, und er streckte die Hand aus, um den Beutel in Empfang zu nehmen. Master Ludlow wandte sich ab und riß die Umhüllung von einer kleinen silbernen Figurine, einer nackten Frau mit vielsagendem Lächeln. Nur der Künstler bemerkte, was für verrottetes Material da herunterfiel: längst verwelkte Blumen.
    »Die Figur nehme ich«, sagte der Advokat, und dem Künstler war klar, daß sie schon am nächsten Tag in einer Schmelzerei landen würde. Ein Jammer. »Und die Münzen werden gerecht verteilt, wie wir geschworen haben«, setzte der Advokat noch hinzu.
    Der Künstler hatte inzwischen das größte Bündel enthüllt. Bei dem Anblick verschlug es ihm den Atem, und die Augen fielen ihm fast heraus. Eine abscheuliche Büste, der Kopf eines bärtigen Mannes mit grimmiger Miene, eine hohle Bronzeplastik, die einst vergoldet gewesen war, sich jetzt aber im Zustand der Zersetzung befand. Es war jedoch der furchterregende Blick, der den Künstler erschreckt hatte. In den eingesunkenen, dämonischen Augen, die wie aus hellem Buntglas gemacht wirkten, flackerte es. Das ist eine Sinnestäuschung, redete er sich ein. Der Schein der Laterne funkelte in den eisblauen Tiefen, daß sie jählings böse und lebendig wirkten.
    »Was ist das für ein abscheuliches Ding?« fragte der Advokat.
    »Baphomet«, antwortete der Teufelsbeschwörer. »Den haben sie nämlich angebetet, und das hat zu ihrem Untergang geführt. Pfui. Er sieht hohl aus. Gibt es einen Pfropfen? Woraus sind die Augen, Dallet?«
    »Glas – da, schaut her«, sagte der Künstler und streckte ihm die Büste hin. Sie fühlte sich komisch an, so als ob sich im Inneren etwas bewegte. »Könnt Ihr das hier lesen?« fragte er, drehte das Ding um und prüfte die Inschrift auf dem Siegel am Hals.
    »Ich mochte nicht, daß mir das schmutzige Ding die guten Handschuhe dreckig macht.«
    »Dann dürfte es mir gehören. Vielleicht verwende ich es als Modell«, sagte Rowland Dallet und spielte den Enttäuschten. Nachdem er sich von dem Schreck erholt hatte, war ihm aufgegangen, daß die Augen schimmerten, wie es Glas nicht vermochte. Mächtige Karfunkelsteine, bei weitem das Wertvollste in der Kiste. Die Augen nehme ich morgen zu Hause heraus, dachte er, und lasse sie in der Row schätzen. »Aber hier ist noch etwas. Wie teilen wir das?« Da lag unter dem nächtlichen Himmel im Lichtkreis der Laterne ein kaum verschimmeltes, sonderbar gut erhaltenes altes Buch mit Seiten aus edelstem Pergament, in Kalbsleder gebunden und mit Halbedelsteinen verziert. Irgendwo in den Ruinen bellte ein wilder Hund. Ratten flitzten zwischen den heruntergefallenen Steinen herum.
    Sir Septimus schnappte sich das Buch und blätterte es begierig durch. Seine Augen funkelten beim Lesen. »Die Weissagungen des Simon Magus. Das Buch vom Aufstieg und Fall von Königen. Das gehört mir.«
    »Dummes Zeug«, sagte der Künstler, riß Crouch das Buch aus den fetten Händen und zog flink das Kurzschwert aus der Scheide. Der Teufelsbeschwörer wurde bleich vor Zorn und Entsetzen, doch der junge Mann lachte ihn aus. »Das geht durch drei. Ludlow, wollt Ihr ein Außenstück oder das Mittelstück haben?« Mit zwei raschen Hieben teilte der Künstler das Buch in drei Teile. »Ein Außenstück, denke ich, da Ihr etwas für Einbände übrig habt.« Damit warf er Ludlow den vorderen Deckel und die daran hängenden Pergamentseiten zu. »Hier, Sir Septimus, das knusprige Ende ist immer das beste Stück. Ach ja, und der arme Künstler bekommt wieder einmal die Überbleibsel.«
    »Ihr – Barbar. Bauerntölpel. Ihr würdet sogar die Sibyllinischen Bücher zerstören.« Sir Septimus griff unbeholfen nach dem mittleren Stück. Der Künstler trat zurück und lachte dem Ritter ins Gesicht.
    »Nicht so schnell. Nachdem Ihr mich so häßlich beschimpft habt? Sir Septimus, Ihr seid kein armer Mann. Ich schlage vor, wir sehen uns einmal an, worum es sich handelt, und danach setzen wir den Wert fest. Kommt nächste Woche vorbei, und kauft es mir ab.«
    »Bei meiner Ehre, das erlebt Ihr nicht…« Sir Septimus zog sein Kurzschwert, machte ein paar Schritte auf seinen Widersacher zu, doch schon
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher