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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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da, verwandelte.
    »Hmpf. Ich glaube, ich habe gebührend gewartet, aber bislang hat er nur Schulden, Duellforderungen von gekränkten Ehemännern und eine häßliche alte Büste mit nach Haus gebracht, die er ohnedies auseinandergenommen hat. Was soll ich nur noch tun, damit du aus deinen Träumen erwachst?« plapperte Nan weiter, doch ich hörte schon nicht mehr zu.
    Ich habe reichlich Vorstellungskraft. Zuweilen stelle ich mir vor, wie Nan wohl aussehen würde, wenn sie wieder jung wäre, oder mein Haar, wenn es schön und glatt und zu adretten blonden Zöpfen geflochten wäre – statt dessen ist es ungebärdig und hat einen rötlichen Stich –, oder wie es wäre, wenn ich eines Morgens aufwachte, aus dem Fenster blickte und alle Straßen über Nacht aus purem Gold wären und alle Tiere auf den Hinterbeinen gingen und die ihrem Stand geziemende Kleidung trügen. Derlei Dinge hätte ich gern gezeichnet, doch mein Vater sagte immer, für Phantastereien wird kein Papier verschwendet, und Master Dallet redet dieser Tage schon genauso, nur nicht so nett. Und so koche ich Leim für ihn und grundiere seine Tafeln mit Gesso, mache Pinsel und zerstoße Farben für ihn, wie ich es im Haus meines Vaters gelernt habe, doch eigene Sachen male ich nie mehr, denn das ziemt sich nicht für eine verheiratete Frau. Sie muß lernen, nur an das Wohl anderer zu denken und in ihrem Haus für Behaglichkeit und Ruhe zu sorgen, damit ihr Ehemann und ihre Kinder sie preisen und segnen.
    »Lieber Gott, daß ich diesen Tag noch erleben muß«, sagte Nan, blickte auf ihr Strickzeug und ließ die Nadeln immer schneller klappern, klick, klick, klick. »Drei Tage ist er nun schon bei der gottlosen Mistress Pickering, der Himmel steh mir bei!« Dergleichen sagt Nan immer und ruft vornehmlich den Himmel an, nur daß der Himmel nie zu antworten scheint, zumindest nicht unmittelbar und verständlich. Aber so ist Nan nun einmal, immerzu bildet sie sich Verhängnisse ein, und das macht sie glücklich oder zumindest glücklicher als alltägliche Dinge, und sie hält auch gern nach Zeichen Ausschau, denn durch die läßt der Himmel sie wissen, welches Verhängnis, das sie sich einbildet, demnächst über uns kommt, nur daß es in der Regel nicht eintrifft. Wenn wirklich etwas Schreckliches geschieht, scheint Nan das nicht eher zu bemerken, als bis es fast zu spät ist, da sie sich mit weitaus schrecklicheren Einbildungen beschäftigt, daß beispielsweise das Ende der Welt nahe bevorsteht oder daß der Teufel in einer Schenke in der Watling Street Wohnung genommen hat und kleine Kinder verspeist. Es würde mir sehr leid tun, wenn sie von diesen Dingen abließe, denn das hieße, sie ist krank, und da Vater und Mutter bereits tot sind, darf mir Nan nicht krank werden, denn dann hätte ich nur noch Master Dallet, und der ist nicht gerade gesprächig.
    »Ach, Nan, was bist du doch mißtrauisch! Ich habe es aus seinem eigenen Mund, daß er ein wichtiges Porträt von Captain Pickerings alter Mutter fertigstellen muß, das Mistress Pickering als Überraschung zur Feier seiner Heimkehr an einen Ehrenplatz hängen will. Wenn das nicht ein wirklich hübscher Einfall ist. Genau wie die Stelle in meinem Buch, wo steht, daß eine Frau immer solch elegante und aufmerksame Überraschungen planen sollte, wenn sie ihrem Mann eine Freude machen will.« Ich fädelte beim Sprechen meine Nadel ein und griff nach dem Stopfei, das im Korb auf der Flickwäsche lag.
    »Und vermutlich hast du es auch aus seinem eigenen Mund, daß Mistress Pickering häßlich ist.«
    »O nein, etwas so wenig Schmeichelhaftes würde er über eine Gönnerin nie sagen, aber er sagt, das Gehen fällt ihr wegen ihres Klumpfußes schwer, und sie muß immer ganz nahe an das Porträt herantreten, damit sie es durch ihre Brille sehen kann, und da habe ich gesagt, ich möchte doch hoffen, daß er sie zuvorkommend behandelt, und er hat gesagt, er wird meinen Rat befolgen. Da hast du es, ich weiß, daß sie sehr unansehnlich ist, aber bei Leuten mit Geld ist Master Dallet immer um Takt bemüht.«
    Nans Seufzer konnte es mit jedem Märtyrer aufnehmen, denn Seufzen ist eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen. Es reinigt die Lungen und fördert die Verdauung, sagt Goody Forster, die eine sehr kluge Hebamme ist und auch ein Pulver verkauft, das reich macht, wenn man es um Mitternacht bei Vollmond verbrennt. Ich habe mir etwas bei ihr geholt, aber bis jetzt hat es noch nicht gewirkt. Doch vielleicht habe ich es
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