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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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auch nicht richtig verbrannt, denn ich mußte es schnell vor Nan verstecken. Wenn sie es gesehen hatte, dann wäre das für sie nur ein Zeichen gewesen, daß der Teufel im Haus ›Zur Stehenden Katze‹ Wohnung genommen hat, um uns alle noch vor dem Weltuntergang in Versuchung zu führen, denn so denkt Nan.
    Goody Forster blickte in einen Spiegel und sagte, eines Tages würde ich reich sein und ein sorgenfreies Leben führen, und dann sollte ich an sie denken, denn wenn ich Geld hätte, müßte ich ihr Silbermünzen geben, da sich Geld durch Teilen um so schneller vermehrt. Doch bislang habe ich kein Silber, geschweige denn Kupfer, und dabei brauche ich Geld, weil ich Nan bezahlen muß, damit sie Geld an ihren Bruder schicken kann, der höchst ungerechterweise im Gefängnis sitzt, und das Kind braucht ganz dringend eine Wiege, obschon Master Dallet behauptet, mit der Wiege verhätschele man es nur, ein Wäschekorb täte es auch, da es aus der Wiege ohnedies schnell herauswachsen würde.
    Bei dem Gedanken an Geld regte ich mich so auf, daß ich mir mit der Stopfnadel in den Daumen stach und einen großen Blutfleck in Master Dallets braunen Strumpf machte. Ich rieb tüchtig daran, er sollte weggehen, damit Master Dallet nicht böse würde, aber es ist doch wirklich ein Jammer, wenn die einzige Überraschung, mit der man seinem Mann eine Freude machen kann, Flickarbeit ist, denn die ist kaum eine Überraschung, und obendrein war sie auch noch blutig.
    Genau in dem Augenblick, als ich mir in den Daumen stach – darum erinnere ich mich ja auch so gut daran – war unten gewaltiges Stiefelgetrampel zu hören, und das erstaunte mich dann doch sehr, da man gestiefelte Männer im Haus ›Zur Stehenden Katze‹ nicht gerade häufig antrifft. In der Regel sind nur Frauen anwesend, oben wie unten. Master Dallet hat nämlich den Mietvertrag unter der Bedingung bekommen, daß Mistress Hull, eine Witwe der Maler-und-Färber-Zunft, auf Lebenszeit Wohnrecht im Erdgeschoß hat. Der Mietvertrag besagt, daß wir die Küche einmal in der Woche zum Waschen benutzen dürfen, und außerdem dürfen wir durch den Laden im Erdgeschoß gehen, denn die Treppe führt im hinteren Teil zu unseren Räumen hinauf, und davon haben wir zwei: einer ist Master Dallets Atelier, der andere dient als Schlafzimmer, Wohnzimmer, Speisezimmer und so weiter, alles in eins gepfercht.
    Master Dallet war mit dieser Regelung nicht zufrieden, er wollte den ganzen Platz für sich haben, damit er eines Tages ein großes Atelier mit mehreren Lehrjungen führen kann, und auch weil es in dem Laden der Witwe und ihrer klatschsüchtigen Tochter viele sehr häßliche Gemälde gab, die der selige Master Hull hinterlassen hat, und mein Mann befürchtete, sie könnten mit seinen verwechselt werden und ihm die Kundschaft vergraulen. Außerdem boten die beiden noch viele seltsame Dinge feil, die sie selbst hergestellt hatten, wie beispielsweise gestrickte Frauenärmel, plumpe Fäustlinge und dazu mottenzerfressene gebrauchte Kleidung und Kinkerlitzchen zum Nähen, die sie nicht selbst angefertigt, sondern von irgendwo bekommen hatten. Master Dallet sagt, er kann es kaum erwarten, daß die alte Frau stirbt, denn dann kann er das ganze Haus bewohnen und all den Krimskrams und die gräßlichen grüngesichtigen Madonnen und Heiligen mit dem falsch sitzenden Nabel hinauswerfen, die das ganze Anwesen in Mißkredit bringen.
    Aber gleichwohl gehen unten höchst merkwürdige Dinge vor, es kommen nämlich nicht nur Frauen, die Nadeln kaufen wollen, sondern vorwiegend Mönche und andere Herren von geistlichem Stand. Als ich Mistress Hull fragte, wieso Mönche Nadeln kaufen, da sagte sie, sie kämen wegen der Andachtsbilder. Und ich für mein Teil finde, das ist nun wirklich ungemein rätselhaft, denn eines steht fest, da unten bekommt man immer dieselben Gemälde zu sehen. Der Christus in Ketten steht am gleichen Fleck, und die arme, häßliche Madonna verstaubt mehr und mehr, und der Sebastian mit den schief sitzenden Augen schielt in seiner Ecke vor sich hin, ganz gleich, wie viele Geistliche kommen und gehen. Ich könnte ja Nan fragen, doch die würde nur sagen, das ist ein Zeichen für die Anwesenheit des Teufels, und da ich das schon vorher weiß, lasse ich es bleiben. Für mich ist das ein Zeichen für etwas anderes, ich weiß nur nicht, wofür. Vielleicht hat die Witwe eine furchtbare Sünde auf sich geladen, und die geistlichen Herren kommen, um sie zu bekehren und sie zu belehren,
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