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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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hochfahrendem, berechnendem Blick von Kopf bis Fuß, registrierten meine alte gefärbte Trauerkleidung und daß die Schnüre meines Mieders spannten, da es meinen Leibesumfang nicht mehr verbergen konnte, und ich spürte, wie mir die Hitze ins Gesicht stieg.
    »Ja, das stimmt, aber mein Mann ist nicht daheim«, antwortete ich, und während ich mir den immer noch schmerzenden Daumen hielt, zeigte ich ihnen, wo sie ihre Umhänge am Feuer trocknen konnten.
    »Gut«, sagte der Kleinere in Französisch, »vielleicht können wir diese Frau hereinlegen, und sie gibt uns, was uns der Meister verweigert.« Ich muß schon sagen, das ärgerte mich denn doch. Nicht nur, daß sie mich täuschen wollten, die dachten auch noch, ich wäre so gewöhnlich, daß ich sie nicht verstand. Ich, die Tochter von Cornelius Maartens, Maler der größten Fürsten Europas. Dachten die etwa, ich wäre ein einfältiges und ungebildetes Mädchen? Im Haus meines Vaters habe ich Französisch, Italienisch, Musik und gute Manieren gelernt. Und Vater hat mich auch Malen gelehrt, als er merkte, daß ich ein Auge fürs Zeichnen hatte, und das ist etwas, was englische Damen überhaupt nicht können, obschon man sie darin unterrichten sollte, denn es schult das Auge. Und obendrein hätten sie eine heilsame Beschäftigung, statt immer nur herumzuschäkern, denn Vater zufolge haben sie nichts anderes im Sinn, auch wenn alle Welt behauptet, daß sie ehrbar sind. Schließlich begrüßen sie sogar Fremde mit einem Kuß auf die Lippen, was wirklich nirgendwo Sitte ist, weil es sich nicht schickt. Die Franzosen hielten, typisch Franzosen, meinen großäugigen Blick für Blödigkeit, und ich ließ sie in dem Glauben, da sie es nicht besser verdienten.
    »Madame«, sagte der kleinere der beiden, »Euer Gatte hatte vergangenen Monat die Ehre, ein höchst vortreffliches Porträt von Prinzessin Mary, der Schwester Seiner Majestät, zu malen.« Ha, das war ja interessant. Zuerst wollte mein Mann mir den Namen der rothaarigen Dame gar nicht verraten, deren Porträt er malte, weil es ein großes Geheimnis war, und wenn er Geheimnisse hat, kommt er sich immer bedeutend vor. Aber da kannte er mich schlecht, Geheimnisse muß ich herausbekommen, und so flößte ich ihm einfach Wein ein, bis er anfing zu prahlen, und dann tat ich so, als hörte ich nicht zu, und da erzählte er mir alles.
    »Ja, das stimmt«, sagte ich, »und er hat gesagt, es trifft sie, wie sie leibt und lebt.«
    »Wir möchten die Zeichnung kaufen«, sagte der erste Franzose.
    »Mein Mann verkauft keine Zeichnungen«, sagte ich fest. Zeichnungen zu Porträts sind das Arbeitsmaterial des Malers. Angenommen, die Abgebildete will eine Kopie für ihre Tante in Yorkshire haben? Natürlich möchte sie nicht noch einmal Modell sitzen, und das erste Porträt ist vielleicht schon an einen Verehrer gegangen. Für das zweite Porträt muß der Maler also auf die Zeichnung zurückgreifen, die er während der Sitzung angefertigt und in die er alle Farben eingetragen hat. Mein Vater sagte, in Frankreich stellen sich alle Künstler Mappen mit Porträts von adligen Familien und mit Gesichtern zusammen, die ihnen auffallen, und andere Künstler wiederum bezahlen dafür, daß sie die Zeichnungen kopieren dürfen, aber bedauerlicherweise ist so etwas in England nicht Mode.
    »Wir sind bereit, gut dafür zu zahlen. Gewiß putzt sich eine so junge und bezaubernde Frau gern mit einer goldenen Kette oder Perlenohrringen.« Seine Stimme klang warm und troff wie Sirup. Es war das Wort »bezaubernd«, das mich noch mehr ärgerte, doch ich ließ mir nichts anmerken, ich, die von der Schwangerschaft ganz aufgedunsen und verdrießlich war, und er hatte die Frechheit, mich »bezaubernd« zu nennen. Ha. Lügner! Genau wie die Lügner, von denen man lesen kann, die mit gespaltener Zunge reden, was ihnen der Gottseibeiuns höchstpersönlich einflüstert. Was bildete er sich eigentlich ein? Daß er eine Dienstmagd verführte? Glaubte er wirklich, ich wäre so dumm, daß ich nicht wüßte, was eine Zeichnung wert ist? Vielleicht lag es an meinem Gesicht, daß er dachte, er könne sich erlauben, mir so etwas aufzubinden. Franzosen halten lange Nasen für ein Zeichen von Klugheit, und meine ist zu kurz geraten, um mich klug wirken zu lassen, und stupsnäsig bin ich auch noch, und selbst ich finde, das wirkt dumm. Ich hätte auch gern braune Augen gehabt, diesen vielsagenden Funkelblick. Meine Augen funkeln nicht. Meinen Blick nennt man lieb,
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