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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Fußböden schrubben?« Ich streckte ihr meine Hände hin. Meine Finger waren von der Schwangerschaft ganz geschwollen und sahen aus wie gebündelte Würstchen, und der schmale Trauring schnitt tief ein, nur daß Würstchen keine Ringe tragen, doch wenn, dann sähen sie so aus. Eine Handfläche war ganz farbfleckig, und unter meinen kurz gehaltenen Fingernägeln saß blaue Farbe.
    »Du weißt, daß ich deiner Mutter auf dem Sterbebett versprochen habe –« Nan schob sich eine lose graue Haarsträhne unter die Haube. Ihr faltiges Gesicht sah vor lauter Besorgnis noch runzliger aus.
    »Aber würdest du nicht gern deinem Bruder helfen?« fragte ich durchtrieben, und auch das gab mir der Teufel ein. »Du weißt, daß Master Dallet gesagt hat, er würde deinem Bruder helfen, wenn er nur könnte. Das wäre doch nicht anders, als würde er es selber tun.«
    »Aber angenommen, er bekommt heraus…?«
    »In Wirklichkeit hintergehen wir ihn gar nicht. Schließlich habe ich jetzt ein ganzes Jahr lang seine Pergamente geschliffen und poliert, seine Farben gestoßen und sogar die Drapierungen und die Stickereien auf den Ärmeln gemalt. Ei, das ist ja fast schon das ganze Bild, abgesehen von den Gesichtern, die es dann zu einem Gemälde des berühmten Rowland Dallet machen, was soviel wert ist. Dieses Mal besteht der einzige Unterschied darin, daß wir das Geld unmittelbar in Empfang nehmen und es ganz im Sinne von Master Dallet verwenden, wenn er daran gedacht hätte. Die Fremden nehmen es doch mit, und so kommt uns keiner auf die Schliche, nicht einmal er.«
    »Aber ich habe versprochen –«
    »Ach, dieses Versprechen! Dauernd reibst du mir das unter die Nase! Hat Master Dallet nicht auch versprochen, für mich zu sorgen, als meine Eltern meine Heirat arrangiert haben? Nan, ich komme allmählich zu dem Schluß, daß er sie getäuscht hat.«
    »Oh!« sagte Nan erschrocken und bekreuzigte sich. »Toten soll man nichts Schlechtes nachsagen. Deine Mutter war eine Heilige. Dein Vater wollte nichts als dich glücklich sehen. Und Master Dallet war sein Lieblingsschüler. Bedenke doch, ein Zunftmeister, der sich dazu herabläßt, bei einem Ausländer in die Lehre zu gehen! Er hätte eine rosige Zukunft, hat dein Vater gesagt, und er hat recht gehabt. Sieh nur, wie weit Master Dallet es schon gebracht hat.«
    Mir jedoch lag das Malen im Blut, meine Hände, meine Augen wollten nichts weiter als malen. Der Kopf schwirrte mir von Ideen, wie ich die Miniatur und wie ich die Farbpalette anlegen würde. Ich wollte es wieder in der Hand halten, das unter meinen Farben durchschimmernde Perlmutt, Farben, die genau richtig angeordnet waren. Ich wollte die winzigen, säuberlichen Pinsel, die »Zeichenstifte« der Miniaturmaler, auf dem Arbeitstisch aufreihen, ich wollte die Farben leuchten sehen, die ich als erste Lasur auf den getönten Malgrund aus Pergament auftragen würde. Ich betrachtete die Flickarbeit im Korb beim Feuer. Und auf einmal verabscheute ich sie, ich wußte auch nicht, warum. Ich verabscheute die Spuren, die sein Leben darin hinterlassen hatte, ich verabscheute seinen Körpergeruch, der ihnen anhaftete. Ich schnappte mir den Korb und stülpte den Inhalt ins Feuer, die häßlichen braunen Strümpfe und alles andere, und dann stürmte ich in sein Atelier. Das graue Vorfrühlingslicht schwand schon dahin, doch ich breitete die Arme weit aus, so als könnte ich alles Licht der Welt darin einfangen. »Und ich mache es«, sagte ich, »und Euch, Master Rowland Dallet, Euch soll der Teufel holen.«
    Ich hörte, wie Nan sich hinter mir damit abplagte, den häßlichen Strumpf aus dem Feuer zu retten. Meine Ohren waren taub für ihr verzweifeltes Gejammer: »Aber ich habe deiner Mutter versprochen, daß du nicht auf Abwege gerätst!«
    Während ich den Leim umrührte und das Pergament zuschnitt, das den Malgrund für die Arbeit des kommenden Morgens bilden sollte, summte ich vor mich hin. »Drei Pfund, drei Pfund, und wir sind reich. Die Franzmänner nehmen die Miniatur mit, und keiner kommt uns auf die Schliche.« Wie der Mann in der Bibel, der so damit beschäftigt ist, seine Getreidescheuern und was auch immer zu zählen, daß er darüber vergißt, seine Sünden zu bereuen und wegen seiner Vergeßlichkeit kein gutes Ende nimmt, so kam es auch mir gar nicht in den Sinn, mich zu fragen, warum zwei geheimnisvolle französische Herren, die nicht einmal ihren Namen genannt hatten, eine Miniatur von der Schwester des Königs haben
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