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Lallbacken

Lallbacken

Titel: Lallbacken
Autoren: Henning Venske
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Kanzleramt: Nichts zu tun ist besser, als mit großer Mühe nichts zu schaffen
    In Berlin im Reichstag wuseln der deutsche Volksvertreter und die deutsche Volksvertreterin. Sie bestimmen, wer regiert. Die Regierungsgewalt wird letztlich denen verliehen, die eine gewisse Gewähr dafür bieten, dass sie nicht allzu viel damit anfangen können. Den Reichstag ziert eine Inschrift: »Dem deutschen Volke« – was wenig Sinn ergibt. Das einzige Wort, das dort wirklich einleuchten könnte, lautet: »Warum?« Man könnte diesen Reichstag auch als Bahnhof nutzen und unter die Erde verlegen.
    Nicht weit davon steht das Kanzleramt. Darin enthalten ist eine Dienstwohnung mit zwei Zimmern, Küche, Bad plus kleiner Terrasse, nachempfunden dem Berliner Kleinbürgermilieu. Das Kanzleramt soll achtmal so groß sein wie das Weiße Haus in Washington D. C. In seinen kilometerlangen Gängen lauert die Richtlinienkompetenz, und in diesem Prestigeobjekt wollte Helmut Kohl als Einheitskanzler staatsmännisch Hof halten. Dazu kam es aber nicht, weil Bundespräsident Roman Herzog ihn beizeiten aus dem Amt entließ.
    So feierte Kohl im Jahre 2005 seinen 75. Geburtstag im Deutschen Historischen Museum. Wie eine Buddhastatue thronte er auf dem Podium, mild lächelnd, als hätte er einen respektablen Joint, einen Château Rothschild oder beides intus, und würdigte sich selbst, was live im Fernsehen übertragen wurde. Beifall brandete auf, als der Altkanzler den originellen Satz absonderte: »Das Hier ist heute!«
    Das Hier ist heute? Heißt das, dass das Morgen dort sein wird und das Gestern ganz woanders war? Oder meinte er vielleicht, das Heute ist hier? Oder ist das Dort gestern und das Woauchimmer erst morgen? Übermorgen ist kein Thema, aber vorgestern war doch auch in dieser Gegend, oder?
    Also, Helmut, alter Spendenbetrüger, Glückwunsch – du bist immer noch der Meister aller Lallbacken. Und Meisterliches lieferte Lallbacke Kohl auch im zweiten Teil seiner dreibändigen Memoiren: Erinnerungen 1982–1990 . Auf einer der 1 152 Seiten steht der Satz: »Wer die Zukunft gestalten will, muss Perspektiven vermitteln, die über das Bestehende hinausweisen.«
    Saustark – der alte Quatschkopf bringt die Dinge immer wieder auf den Punkt. Denn wer das Bestehende gestalten will, muss ja auch Zukunft vermitteln, die über die Perspektiven hinausweist. Es sei denn, er will Perspektiven gestalten, die das Bestehende vermitteln und über die Zukunft hinausweisen. Da wäre dann die Frage zu klären: Was kommt eigentlich nach der Zukunft?
    Im Falle Kohl ein Schröder. Aber neben Kohl verblassen alle anderen Lallbacken. Auch sein Mädel, Angela Merkel. Immerhin – ihr Output an Lippenmüll ist beachtlich: »Wir vertrauen den Bauern. Einer Familie, die eine Eiche besitzt, der braucht man über generationenübergreifendes Denken nichts zu erzählen.«
    Das ist bodenständig formuliert. Offen bleibt die Frage, was diejenigen machen, die keine eigene Eiche besitzen, sondern nur einen Kohlkopf.
    Lallbacke Angela Merkel hat mal einen Geburtstagsbrief an Lallbacke Helmut Kohl geschrieben, der verdeutlichte, dass im Deutschunterricht in der DDR mit Vorliebe Metaphernsalat angerichtet wurde, was Frau Merkel heute befähigt, weltweit als führende Lallbacke in Erscheinung zu treten. Im Dickicht von Frau Merkels sprachlichem Gestrüpp findet sich ein Satz von geradezu hölzerner Transparenz: »Lieber Herr Kohl, Sie haben an verschiedenen Punkten Pflöcke der Geschichte eingeschlagen.«
    Was ist das, ein Pflock der Geschichte? Ist das ein Geschichtspflock? Und dieser Geschichtspflock wird eingeschlagen? Mit der blanken Faust? Oder mit einem Hammer? Ist er dann kaputt? Und was sind denn verschiedene Punkte? Sind die tot? Oder meinte sie unterschiedliche? Könnte es sein, sie meinte, Kohl habe die Geschichte mit eingeschlagenen Pflöcken punktiert, bis sie verschieden? Oder meinte sie, er habe die eingeschlagene Geschichte an unterschiedlichen Punkten mit einem Vorschlaghammer eingepflockt?
    Frau Merkel – Sie sollten diesen Satz dementieren, egal wie Sie ihn gemeint haben.
    Aber vor Merkel, nach Kohl, kam Schröder. Schröder fühlte sich so eingepflockt zwischen Kohl und Merkel durchaus wohl. Und er legte das Bekenntnis ab: »Auf nichts beziehungsweise auf weniges bin ich mehr stolz als darauf, Vorsitzender dieser großen Partei zu sein.«
    Was war das Wenige, auf das er noch stolzer war als darauf, SPD-Vorsitzender zu sein? War es VW? Deutschland? Oder war
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