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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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wollten.

Kapitel 2
    B ei Gott, Bridget, Ihr werdet von Tag zu Tag schöner!« rief Rowland Dallet, lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und stellte seinen Becher mit Wein zwischen den vollen Schüsseln ab. Mistress Pickering hatte ein nettes kleines Abendessen anrichten lassen, Brathühnchen mit Safransoße, und hatte dem Maler zuliebe eine Flasche spanischen Wein geöffnet. Sie gab dem Kindermädchen Anweisung, den kleinen Master Pickering, dessen runder, dunkler Kopf und große, braune Augen mehr als nur eine flüchtige Ähnlichkeit mit denen des Malers aufwiesen, zu Bett zu bringen. Master Dallet hatte den Kleinen und seine Mutter mit schnell hingeworfenen Skizzen von der Bärenhatz unterhalten, an der er in der vergangenen Woche mit mehreren Herren teilgenommen hatte. Dann hatte sie sich ans Virginal gesetzt, und er hatte mit seinem vollen Bariton die Treulosigkeit der Frauen besungen. Jetzt widmete er seine Aufmerksamkeit gänzlich der Mutter des eben entfernten Kleinkindes und den Speisen auf dem von Kerzen beleuchteten Tischchen neben dem Bett. Master Dallets Leibesumfang begann bereits, von seiner Leidenschaft für eine gute Tafel zu zeugen. Im Laufe der Zeit würde diese Leidenschaft seinem dunkeläugig-guten Aussehen schaden und damit auch der Verfolgung anderer Leidenschaften, doch noch konnte er all seinen Interessen sozusagen mit gleicher Begeisterung nachgehen.
    »Ihr habt ja keine Ahnung, was ich durchmache. Welcher Mann hat schon gern eine übertrieben anhängliche Frau. Wohingegen Ihr viel zu schön seid, als daß Ihr jemals klammern müßtet«, meinte er, legte den abgenagten Hühnerschenkel beiseite und wischte sich zierlich die Finger. Mistress Pickering löste das lange schwarze Haar, das weich wie Seide war, und schüttelte den Kopf, daß es wie ein dunkler Vorhang ihre halb entblößten Schultern verhüllte. Sie quittierte seine Bemerkung mit einem schmalen Lächeln. »Hinreißend«, begeisterte sich der Maler und bewunderte den bläulichen Schimmer der üppig fließenden Haarpracht. »Ihr seid die Vollkommenheit in Person. Euer Haar. Eure hübsche schmale Taille. Ich möchte jeden Zoll Eurer köstlichen Haut malen. Wäret Ihr lieber Venus, die Schaumgeborene, oder vielleicht Delila, die Verführerin, wie sie sich bei einem Löwen anschmiegt?« Er hielt beide Hände hoch und formte mit Daumen und Finger ein Rechteck, eine Art Bilderrahmen, durch den er die imaginäre Szene betrachtete.
    »Die Verführerin«, antwortete Mistress Pickering, blickte auf und warf ihm unter langen, dunklen Wimpern einen bewundernden Blick zu. Das war die wirkungsvollste kleine Geste aus ihrem Repertoire, aber ein wenig heikel zu bewerkstelligen, da sie den Maler um drei Zoll überragte. Doch bei ihren Liebhabern hatte sie noch nie vornehmlich auf hohen Wuchs geachtet. Es gab Maße, an denen ihr weitaus mehr gelegen war, und darin konnte es der Maler mit jedem aufnehmen. Dazu gesellten sich noch eine Schmeichelzunge, häufige und angenehme Geschenke und obendrein eine Arbeit, die sich zeitlich gut einrichten ließ und für Stelldicheins wie geschaffen war, daher nahm es kaum Wunder, daß sie sich vorzugsweise, wenn auch nicht ausschließlich, mit Rowland Dallet beschäftigte, um die Zeit totzuschlagen, während ihr Mann auf See war. Ein kurzes Weilchen hatte sie gedacht, sie hätte ihn durch seine Heirat verloren, doch schon bald darauf war die ›Magdalen‹ in See gestochen, und der Maler hatte sich so unbekümmert wie eh und je vor ihrer Haustür eingestellt.
    »Ungezogener«, hatte sie gesagt, »was bringt Euch auf die Idee, daß ich Euch noch immer haben will?«
    »Meine prächtige Ausstattung, Madam, und Euer lüsterner Blick. Ihr habt doch nicht etwa gedacht, daß Euch eine ungepflegte kleine flämische Kuh aus dem Felde schlagen könnte, oder?« Und da er ihr ein einfach hinreißendes Armband mitbrachte, stand er im Handumdrehen wieder in ihrer Gunst.
    »Sagt, wie geht es diesem Ausbund an Tugendhaftigkeit, Eurer Ehefrau?« fragte sie und warf ihm einen durchtriebenen Blick zu, während sie an ihren Ärmeln nestelte. Ein riesiger blauer Karfunkelstein in einer neuen Fassung aus gediegenem Gold funkelte im Kerzenschein an ihrem Finger, als wäre er lebendig.
    »Wird immer fetter. Ihr Gesicht quillt auf wie eine Blase. Sie blökt hinter mir her wie ein Schaf. ›Wann bist du zu Hause? Könntest du mir Apfelsinen mitbringen? Ich wünsche sie mir so sehr.‹ Sie macht mich rasend. Sie treibt mich regelrecht aus
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