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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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was sehr enttäuschend ist. Viel lieber wäre ich eine große Sirene, die die Herzen der Männer mit einem leidenschaftlichen Blick durchbohrt, so daß ihnen die Sinne schwinden und sie ihr zu Füßen liegen, das heißt, wenn sie ihre fünf Sinne wieder beisammenhaben. Vermutlich hat mich Master Dallet bei unserer ersten Begegnung damit beeindruckt. Der hat mich nämlich nicht ein liebes Dingelchen genannt. Und obendrein hat er funkelnde braune Augen.
    »Gerade neues Geschmeide würde meinem Mann sofort auffallen. Soll er etwa denken, ich hätte einen Liebhaber?« fragte ich in der Hoffnung, sie würden aufmerken, weil ich so klug und tugendhaft war und mich nicht durch ihre Schmeichelreden und Verlockungen täuschen ließ. Doch wenn ein Franzose den Mund aufmacht, dann spitzt der Teufel die Ohren. Wer sonst wohl hätte mir ausgerechnet in diesem Augenblick eine solche Idee eingeben können? Eine vortreffliche Idee, eine prächtige Idee, eine überaus schlimme Idee, ein Betrug, den mancher einer wahrhaft guten Frau nicht zutrauen würde und den man mir nun wirklich nicht anrechnen sollte, da ich aus gutem Grunde log.
    »Eine Zeichnung würde mein Mann niemals herausrücken, aber warum gebt Ihr nicht ein neues Gemälde in Auftrag?« fragte ich so gelassen wie möglich und als gäbe es den Teufel nicht, der mir das einflüsterte.
    »Das würde zu lange dauern«, antwortete der Hochgewachsene, »wir müssen es nämlich mit –« Doch der Kleinere schnitt ihm das Wort ab.
    »Eine Kopie in Miniaturform könnte bis morgen abend fertig sein«, antwortete ich. »Das Honorar meines Mannes beträgt drei Pfund.« Sie blickten sich an, der Preis hatte sie entsetzt. Na und, dachte ich bei mir, weniger ist meines Mannes nicht würdig, da er nur Personen von Rang porträtiert.
    »Drei Pfund?« fragte der hochgewachsene Franzose und warf mir einen spöttischen Blick zu.
    »Mein Mann ist Meister der Maler-und-Färber-Zunft. Und was die Vortrefflichkeit seiner Arbeit angeht, so kann es darin niemand mit ihm aufnehmen. Wenn Ihr mir nicht glaubt, so wendet Euch an andere Maler. Ihr werdet schon sehen, wie erbärmlich die arbeiten, und dann zurückkommen.« Nan stockte der Atem bei soviel Dreistigkeit. Doch ich spürte etwas, das rührte sich in mir wie ein wildes Tier, und ich wurde immer beherzter, denn wenn man schlechten Samen – und böse Ideen sind schlechter Samen – zwischen den guten sät, dann wächst er wie das Unkraut unter dem Weizen, von dem man in der Kirche hört, und erstickt alle guten Vorsätze. Der Franzose blickte erschrocken, doch ich jubelte im stillen.
    »Seid Ihr sicher, daß er es schafft?«
    »Vollkommen«, antwortete ich und mied den entsetzten, groß aufgerissenen Blick der lieben, guten Nan.
    »Wir nehmen die Miniatur nicht an, wenn ihre Züge nicht genau getroffen sind«, sagte der Kleinere.
    »Das kann in England niemand besser als mein Mann«, gab ich zurück, und da verabschiedeten sie sich griesgrämig.

    »Was um alles in der Welt ist in dich gefahren, daß du dergleichen versprichst?« Nan sah entsetzt aus. »Du weißt, daß der Meister nicht nach Haus kommt, und wenn, dann ist er ganz und gar nicht imstande zu malen. Und dann noch eine Miniatur, du unvorsichtiges, unbedachtes Ding! Seine Hände zittern, wenn er getrunken hat, und Kopfschmerzen und schlechte Laune hat er auch! Er ist gewiß böse, wenn er herausbekommt, was du versprochen hast. Du mit deiner törichten Zunge, du hast seinen Ruf ruiniert!«
    »Nan, ich weiß, wie wir diese drei Pfund höchst tugendhaft verwenden können. Außerdem brauche ich dringend Geld. Ich habe es mir gut überlegt. Damit erspare ich meinem Mann Kummer und Sorgen, wie es schicklich für eine rücksichtsvolle Ehefrau ist, und kann im voraus planen, was seiner Behaglichkeit dient. Er ist doch erst zu Hause, wenn sie fertiggestellt ist, und dann haben wir Feuerholz und Würstchen und Windeln und eine Wiege für das Kleine, und ich muß ihm diese Sorge nicht auch noch aufbürden.« Nan sah mich verblüfft an.
    »Was redest du da? Ach, Susanna, ich hätte dir einfach nicht erlauben dürfen, den Kopf in den Regen zu stecken.«
    »Hast du vergessen, daß ich die Tochter von Cornelius Maartens bin? Weißt du noch, meine Himmelfahrt ? Weißt du noch, mein Salvator Mundi , der in eine Männerfaust paßte? Sogar die Freunde meines Vaters haben gestaunt. Ich habe noch dieselben Hände wie als junges Mädchen. Sieh sie dir an! Sind sie ungeschickt geworden, weil sie
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