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0982 - Die Kinder der Zeitsäufer

0982 - Die Kinder der Zeitsäufer

Titel: 0982 - Die Kinder der Zeitsäufer
Autoren: Oliver Fröhlich
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Schwärze. Pochender Schmerz im Kopf, in den Gelenken.
    Wo war sie? Was war geschehen? Wer war sie?
    »Araminta?«
    Durch tonnenschwere Watte drang die Stimme zu ihr. Dumpf, beinahe unverständlich.
    Araminta. Ja, so lautete ihr Name. Araminta Moriente.
    Sie wollte die Augen öffnen und antworten, doch es ging nicht. Ihr Körper gehorchte nicht. Sie hörte Schritte neben sich. Und erneut die Stimme.
    »Araminta?«
    Ja! Ich höre dich!
    Kein Wort drang über ihre Lippen. Sie konnte die Membran, die sie von der Welt trennte, nicht durchdringen. Sie fühlte sich benommen, aber wach - und doch weit davon entfernt, bei Bewusstsein zu sein.
    Da ertönten wieder die Schritte. Diesmal wurden sie leiser und leiser.
    Nein, geh nicht weg! Ich kann dich hören! Bitte verlass mich nicht. Lass mich nicht in der Dunkelheit allein.
    Dann herrschte Stille um sie herum.
    Tatsächlich? Hörte sie da nicht ein Summen? Ein klägliches, regelmäßiges Piepen wie von einem Vogelkind im Nest? Ein gelegentliches Tropfen wie in einer Höhle?
    Höhle?
    Kalter Schrecken kroch in ihr hoch. Aber warum? Wenn sie sich doch nur erinnern könnte.
    Du musst ruhig bleiben! Denk nach. Was ist geschehen?
    Plötzlich schob sich das Bild eines Gesichts in ihr Bewusstsein. Ein siebzehnjähriger Junge mit strubbeligen, schwarzen Haaren und blauen Augen.
    Javier!
    Sie hätte jubeln können vor Freude, als sie sich des Namens entsann. Doch ihr Körper zeigte keine Regung.
    Konzentrier dich! Was ist passiert?
    Sie hatten einen Spaziergang unternommen, sie und Javier. Hinunter ins Tal und auf der anderen Seite wieder hoch zu den Olivenhainen.
    Was ist dann geschehen?
    Mit einem Mal konnte sie sich erinnern, wie ihre und Javiers Hand beim Laufen ständig wie unbeabsichtigt aneinander entlangstreiften. Jede einzelne Berührung prickelte auf der Haut.
    Weiter! Was war dann?
    Ja, jetzt wusste sie es wieder. Vor ihrem inneren Auge entstand ein Bild von sich selbst. Sie lag auf der Wiese am Fuß der Bergwand…
    ... und beobachtete die wenigen Wolken, die wie Schiffe übers Himmelsmeer zogen. Der Hinterkopf lag auf ihren verschränkten Armen. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen.
    »Woran denkst du?«, fragte Javier Cruz. Hörte sie da ein leichtes Zittern in seiner Stimme?
    Sie drehte den Kopf zur Seite und sah ihm in die Augen. Er saß im Schneidersitz im Gras, einen Halm im Mundwinkel. Während der Zeigefinger der rechten Hand versuchte, dem Rasen eine Dauerwelle zu verpassen, zupfte die linke an der Naht seines Hosenbeins.
    Er ist noch unsicherer als ich, dachte Araminta, und schüchtern. Aber vor allem ist er unglaublich süß!
    »An dich«, antwortete sie.
    Javier räusperte sich. Ein roter Schimmer färbte ihm Wangen und Ohren. »An mich?«
    Er nahm den Halm aus dem Mund und starrte ihn an. Dann sah er für einen Augenblick zu Araminta, doch als sie ihm ein strahlendes Lächeln schenkte, flüchtete sich sein Blick zurück zum Halm. Die Schattierung der Ohren wechselte in einen dunkleren Ton.
    »Und… äh…« Das nächste Räuspern. »Woran da genau?«
    Araminta musste in sich hineingrinsen. Er versuchte, sich eines Plaudertons zu bedienen, klang aber atemlos, gehetzt und furchtbar aufgeregt.
    Sie setzte sich auf, rutschte näher zu ihm und griff seine Hand, die sich noch immer intensiv mit der Hosennaht befasste.
    Woran genau? Zum Beispiel daran, wie ich dich von deiner Scheu befreien kann. Wie sich wohl dein drahtiges Haar unter meinen Fingern anfühlt. Wie es sein kann, dass die Augen eines Jungen aus Andalusien blauer strahlen als der Himmel. Ob dein Herz auch so rast wie meines, wenn wir uns begegnen. An das und noch viel mehr! Ganz besonders interessiert mich aber…
    »… wie lange du noch hier sitzen willst, bis du mich endlich küsst!«, sprudelte der letzte Gedanke hervor. Im gleichen Augenblick pochte ihr Gesicht unter den plötzlichen Hitzewallungen.
    Dennoch legte sie den Zeigefinger unter Javiers Kinn und drückte ihm sanft den Kopf hoch. Sie zwang seinen Blick weg von dem zweifelsohne faszinierenden Grashalm, hin zu ihren Augen. Nun schlich sich auch in seine Züge ein Lächeln. Er ließ den Halm fallen und nahm ihre Hand vom Kinn. Seine Haut fühlte sich weich und warm an.
    »Nicht mehr so lange, glaube ich«, sagte er.
    Aramintas Herz setzte einen Schlag aus, als sie sah, wie Javier den Oberkörper nach vorne beugte.
    Jetzt ist es so weit.
    Sie schloss die Augen und kam ihm mit dem Gesicht entgegen. Da spürte sie auch schon den Hauch seines
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