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Die Stunde des Raben

Die Stunde des Raben

Titel: Die Stunde des Raben
Autoren: Boris Pfeiffer
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Scherbe lag immer noch darin, dicht umschlungen von der Locke seiner Mutter.
    »Nein«, sagte er laut und deutlich.
    Neben ihm sagte Filine, die ebenfalls in ihren Beutel sah: »Nein!«
    No öffnete seinen roten Lederbeutel und blickte hinein. Dann jubelte er: »Mein Fragment ist nicht mehr da!«
    Meister Morley zeigte auf den Stab. »Erkennst du es dort, No wie so?«
    No beugte sich vor und betrachtet den Stab mit dem Rabenknauf. Der schön geschnitzte Vogel war völlig intakt und nichts daran schien ihm sein Fragment zu sein. Er ließ den Blick am Stab nach unten wandern. Und dort erblickte er es: An der unteren Spitze, wo Aili den Stab in den Boden gestoßen hatte, saß ein kleiner Splitter fest im Holz, der bis aufs Haar seinem Fragment glich.
    »Ich erkenne es«, sagte No.
    Meister Morley räusperte sich. »Dann wisst, Lehrlinge der Akademie, das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung. Erlösung ist Erinnerung.«
    Der Meister reichte den drei Lehrlingen die Hand. »Ist es euch recht, wenn ich jetzt Direktor Saurini hole? Ihr wart viele Stunden in der Flut unterwegs und er hat Nachrichten für euch.«
     
    Gino Saurini erschien bald darauf und betrachtete das neueste, wahrhaft gewaltige Artefakt der Akademie voller Neugierde.
    »Sieh an«, murmelte er, als er die Teile des keltischen Streitwagens erkannte, die in das Haus und die Möbel verbaut worden waren. »Äußerst interessant.« Dann heftete sich sein Blick auf den Stab.
    »Und das war das auslösende Artefakt?«
    »Ja«, erklärte No.
    »Wie wirst du es nennen?«
    »Ich dachte an ›Hölzernes Zepter der ersten englischen Königin‹!«
    Der Direktor nickte nachdenklich. »Keine schlechte Wahl. Es erinnert tatsächlich an das Zepter mit der Taube, das sich unter den britischen Kronjuwelen befindet. Es könnte eine Art Vorbild gewesen sein. Das müssen wir herausfinden. Das Zepter mit der Taube ist allerdings nicht aus Holz, sondern aus Gold. Und natürlich über und über mit Diamanten geschmückt. Aber das Interessantere scheint mir der Vogel an sich. Die Taube symbolisiert den Heiligen Geist. Was aber symbolisiert der Rabe?«
    »Er ist das Zeichen der Druiden, die dank Boudicca überlebt haben«, erklärte No sofort.
    »Ach?« Überrascht sah Saurini ihn an. »Was für eine interessante Geschichte. Ich bin wirklich begierig darauf, sie in den nächsten Tagen in aller Ruhe von euch zu erfahren. Und doch frage ich mich, warum die ganze Hütte?«
    Sein Blick wanderte langsam von No zu Filine und blieb am Ende auf Rufus hängen.
    »Ich glaube«, sagte No plötzlich, »weil der ganze Streitwagen der Boudicca, oder Bydegg, wie sie eigentlich hieß, hier verbaut ist. Und der Stab hat eben eine Weile zum Wagen gehört, wissen Sie. Der Stab, der Wagen, das Zepter, das gehört alles irgendwie zusammen.«
    »Ja, das ist möglich«, nickte Saurini. »Wenn auch ungewöhnlich. Auf alle Fälle ist es eine große Freude! Ich beglückwünsche dich, No! Und euch auch, Filine und Rufus, ihr habt gute Arbeit geleistet. Und das auch für den Flutmarkt, wie mir eure Händler einhellig berichtet haben. Jeder von euch bekommt sieben Erkenntnispunkte, die Höchstzahl, die wir vergeben. Ich bin sehr stolz auf euch!«
    Direktor Saurini strahlte die Lehrlinge an.
    »Deine Großmutter, No, lässt dich grüßen. Ich habe ihr in einem persönlichen Gespräch berichtet, wie zufrieden hier alle mit dir sind. Das Gleiche«, er wandte sich Filine zu, »habe ich deinen Eltern gesagt. Deine Mutter, Rufus, war leider schon gegangen, als ich mit ihr sprechen wollte. Aber sie hat Nos Großmutter beauftragt, dir ausrichten zu lassen, dass sie sehr froh über alles wäre und nur nicht länger warten konnte wegen dringender Geschäfte.«
    Rufus sah zu Boden, dann hob er den Blick und nickte.
    »Alle anderen sind ja auch schon weg. Ich habe sie immerhin gesehen. Und wenn Sie ihr schreiben, ist das für Sie bestimmt genauso gut.«
    »Schön, dass du das so siehst«, sagte der Direktor zustimmend. »Filines Eltern haben übrigens eine gute Nase für Antiquitäten bewiesen. Ich habe mir sagen lassen, sie hätte einige wirklich antike ägyptische Kacheln gekauft. Und mit erstaunlicher Sicherheit ausgesucht.«
    Filine lächelte verschmitzt. »Ja, das ist meine Mutter«, sagte sie. »Sie liebt alte Sachen.«
    »Tut deine Mutter das auch, Rufus?«, fragte Saurini.
    Rufus zuckte die Schultern. »Keine Ahnung.«
    »Nun, dann war es vielleicht nur Zufall. Sie hat jedenfalls auch ein wertvolles Artefakt
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