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Spion auf der Flucht

Spion auf der Flucht

Titel: Spion auf der Flucht
Autoren: Stefan Wolf
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1. Während des Urknalls
     
    Kaum fing der Nachmittag an, hatte Gaby
im Supermarkt alles eingekauft. Karl spielte Packesel, bzw. Lastenträger und
trottete neben ihr her.
    Er hatte Schlimmes befürchtet und mit
Kreuzschmerzen gerechnet. Aber die Einkaufstüte, die Gaby ihm dann übergab,
hielt er locker mit zwei Fingern.
    „Einmal Zahncreme, ein kleines
Toastbrot, Butter und Teebeutel“, erklärte sie. „Mehr stand nicht auf seinem
Einkaufszettel. Ich glaube, er ist nicht sehr anspruchsvoll.“
    „Das sind Pauker nie“, nickte Karl,
„höchstens in geistiger Hinsicht. Bei Lattmann betrifft das vor allem musische
Kultur. Wie sagt der immer? Für einen Nachmittag im Louvre (Pariser
Kunst-Museum) könnte ich ein halbes Jahr hungern.“
    „Klößchen könnte das nicht“, lachte
sie.
    Sie verließen den Supermarkt.
    Draußen umschmeichelte sie die weiche
Luft des Spätsommers.
    Gaby machte einen Schmollmund und
pustete aufwärts gegen ihren Goldpony. Karl hängte die Tüte an seinen
Fahrradlenker.
    Dann fuhren sie zu Lattmann — zu Dr.
Friedrich Lattmann, dem beliebten Kunsterzieher und Zeichenlehrer der
Internatsschule.
    Er war mit der Kunst verheiratet, hatte
also weder Frau noch Familie, was ihm anscheinend behagte, denn seine gute
Laune gehört zu ihm wie der verklärte Blick, wenn er von Pablo Picasso (spanischer
Maler und Graphiker) redete. Das hatte ihm den Spitznamen ,Picasso’
eingetragen.
    Als Pauker fiel ,Picasso 4 seit einer Woche aus. Er war das Opfer eines unbekannten Verkehrs-Rowdys geworden,
und sein linkes Bein steckte bis zur Hüfte im Gips. Gestern hatte man ihn aus
dem Krankenhaus entlassen. Nun saß er in seinem winzigen Häuschen und war
angewiesen auf fremde Hilfe.
    Die TKKG-Bande, der selbst ärgste Feinde
nicht unterstellen würden, daß sie bei Paukern schleimt — die TKKG-Bande hatte
sich erboten, dieses und jenes für Lattmann — Picasso — zu erledigen.
    Tim und Klößchen waren zur Stunde
verhindert. Aber Gaby und Karl ließen Lattmann nicht hängen. Sicherlich lechzte
er schon nach seinem Nachmittags-Tee; und wer wußte, wann er sich zum letzten
Mal die Zähne geputzt hatte.
    Er wohnte im Stadtteil Maisinghausen.
Vor Zeiten war das ein Dorf gewesen, außerhalb der Riesenstadt. Aber diese
Selbständigkeit lag lange zurück. Städte wachsen nun mal; und sobald die letzte
Wiese zwischen Stadt und Dorf mit Beton vollgeklotzt ist, wird eingemeindet,
und das Dorf ist ein Stadtteil.
    In Maisinghausen freilich überwiegen
die Gärten. Die Häuser sind klein. Manchmal riecht es nach Landluft, und die
meisten Bewohner kennen ihre Nachbarn so gut wie sich selbst — was aber nicht
immer erwünscht ist.
    Gaby und Karl stiegen ab, lehnten ihre
Tretmühlen an den Zaun und brachten die Kabelschlösser an, denn Vorsicht ist
bekanntlich der Feind der Fahrraddiebe.
    Lattmanns Häuschen badete im
Sonnenlicht. Im Garten wuchsen Obstbäume. Das Unkraut gedieh. Lattmann, der
richtigerweise nicht einsah, wieso Unkraut bekämpft wird, hatte es zu
nützlichen Pflanzen ernannt. Kein Wunder, daß der Anblick seines
naturbelassenen Gartens geradezu prächtig war.
    Karl schlenkerte mit der Einkaufstüte.
    Gaby nahm den Hausschlüssel aus dem
Blumentopf neben der Eingangstür und schloß auf.
    „Herr Dr. Lattmann, wir sind’s!“ rief
sie die schmale Treppe hinauf.
    Picassos Krankenzimmer war im
Obergeschoß.
    „Schön, daß ihr kommt!“ antwortete er.
    Sie stiegen die Holzstufen hinauf.
Durch ein kleines Fenster fiel Sonnenlicht in schräger Bahn.
    Ziemlich viel Staub lag herum, wie Gaby
feststellte. Aber dazu hatte Lattmann sicherlich dieselbe Einstellung wie zum
Unkraut.
    Sein Atelier, wie er den Raum nannte,
befand sich an der Schmalseite des Häuschens. Durch ein Panoramafenster im
schrägen Dach drang Tageslicht in überwältigender Fülle herein. Und nicht nur
das. Die Bäume schienen hereinzuwachsen.
    Weit reichte der Blick wegen der
Obstbäume nicht. Aber an einem kränkelnden Apfelbaum hatte Lattmann, bzw. der
Friedhofsgärtner — mit dem er befreundet war — , einige Äste ausgelichtet.
    Ungewollt ergab sich dadurch ein
Durchblick zum Nachbarhaus, was später noch von erheblicher Bedeutung sein
sollte.
    „Riesig nett, wie ihr euch um mich
kümmert!“ strahlte Lattmann. „Gaby, du bist ja wie eine Mutter zu mir.“
    „Wenn ich Ihre Mutter wäre“, lachte
sie, „müßten Sie sich besser ernähren. Oder haben Sie noch genug im
Eisschrank?“
    Picasso bestätigte, er habe.
    Mit Blick zum
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