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Spion auf der Flucht

Spion auf der Flucht

Titel: Spion auf der Flucht
Autoren: Stefan Wolf
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Keramik. Eine Tasse gehörte zum Geschirr-Bestand
des Hotels GOLDENER SCHWAN, die andere war eine Schnabeltasse, die eigentlich
nur in Krankenhäusern üblich ist, wo bettlägerigen Patienten Flüssiges damit
eingeflößt wird.
    „Eine Tasse muß noch unten sein“, sagte
Lattmann. „Ich hatte vier. Das weiß ich genau. Mir bitte die Schnabeltasse,
Gaby. Die will ich euch nicht zumuten.“
    Gaby goß den Tee ein.
    Karl lief abermals hinunter und holte
die vierte und letzte Tasse, die keinen Henkel mehr hatte.
    Er lebt tatsächlich genügsam, dachte
Gaby. Auch die Möblierung ist bescheiden. Wie viele Hemden er wohl hat? Aber Kunstbildbände,
wohin man sieht. Picasso weiß genau, wofür er sein Gehalt ausgibt.
    Lattmann rückte sein Gipsbein zurecht.
    „Zweimal gebrochen“, erklärte er. „Der
Knochen ist genagelt.“
    „Tut es noch weh?“ fragte Gaby.
    „Das nicht. Aber wenn der Gips
runterkommt, werde ich lange humpeln.“
    „Wie war das eigentlich?“ fragte Karl.
„Wir hörten, der Täter sei bis heute nicht ermittelt worden.“
    „Bis heute nicht“, nickte Lattmann.
„Ich stand an der Ecke Bornheimer Straße, als dieser Wahnsinnige anpreschte.
Auf seinem Motorrad. Er hat die Kurve nicht geschafft und mich buchstäblich
über den Haufen gefahren.“
    „Schrecklich!“ Gaby nippte an ihrem
Tee. Er war sehr bitter. Lattmann hatte keinen Zucker im Haus.
    „Ich kann von Glück sagen, daß es nicht
schlimmer kam“, erzählte Lattmann. „Ich lag da mit gebrochenem Bein, und der
Kerl ist weitergerast.“
    „Also Fahrerflucht!“ stellte Karl fest.
    „Ein Krimineller. Und so sah er auch
aus. Das heißt, vom Gesicht und so habe ich nichts gesehen. Auch leider das
Nummernschild nicht. Aber seine Aufmachung verriet viel.“ Lattmann blickte zum
Fenster hinaus.
    Auch Gaby konnte durch den
ausgelichteten Baum zu den Nachbarn hinübersehen.
    Das Haus dort war etwas größer und
moderner.
    Eine hohe Hecke grenzte zur Straße hin
ab.
    Sehen konnte Gaby das nicht. Aber sie
wußte es - vom mehrfachen Vorbeifahren.
    Eben öffnete sich die Eingangstür. Sie
war an der Schmalseite und hatte ein kleines Fenster in Kopfhöhe. Es war in
vier Scheiben unterteilt. Über der Tür, im Obergeschoß, gab es ein Fenster.
Neben der Tür wuchs eine mannshohe Kentiapalme im großen Terracotta-Kübel.
    Eine junge Frau schob den Kopf ins
Freie und blickte zur Straße. Dann schloß sie die Tür wieder.
    „Wie war er denn aufgemacht?“ fragte
Karl, dem der Tee nicht schmeckte.
    Gaby merkte es an den winzigen
Schlucken, die er nahm. „Irre!“ murmelte Lattmann. Er schloß die Augen, um das
Bild aus der Erinnerung hervorzuholen. „Eine knallrote, schwere Maschine.
Knallrot und silbrig. Der Fahrer trug einen weißen Motorradanzug. Vermutlich
Leder. Dazu einen schwarzen Sturzhelm. Auf dem war vorn ein weißer Totenkopf
aufgemalt. Daran erinnere ich mich genau. Zwar habe ich ihn von vorn nur
Sekundenbruchteile gesehen. Aber sowas vergißt man nicht.“
    Drüben wurde wieder die Tür geöffnet.
    Diesmal drängte sich ein kleines,
höchstens fünfjähriges Mädchen neben die Frau. Es war allerliebst. So einen
Fratz hätte Gaby sich als kleine Schwester gewünscht.
    Lattmann bemerkte Gabys Blick.
    „Das ist Helga Dröselhoff“, erklärte er
unaufgefordert. „Mit ihrem Sabinchen. Die sind erst vor einem halben Jahr dort
eingezogen.“
    „Nette Nachbarn?“ fragte Gaby.

    Übermäßig bestimmt nicht, dachte sie im
selben Moment. Sonst hätte die Dröselhoff den bewegungslahmen Lattmann ein
bißchen versorgt. Mit Einkäufen. Und kochen hätte sie ihm ruhig auch mal was
können.
    „Sehr nett“, antwortete Lattmann. „Aber
die wissen noch gar nicht, daß ich den Unfall hatte. Seitdem haben wir uns
nicht gesehen. Und ich möchte nicht, daß Helga auf die Idee kommt, mir jeden
Mittag was Warmes rüberzubringen. Ihr Mann ist Konstrukteur. Arbeitet bei
WBCB.“
    Karl pfiff durch die Zähne. „Das ist
eine gute Adresse. WBCB ist weltweit führend im Computer-Bau. Die haben schon
im Griff, was andere noch gar nicht denken.“
    „Ist das der große Betonbau an der
Achenfelder Allee?“ fragte Gaby.
    Karl bestätigte und fügte hinzu. „Weißt
du, wie Willi WBCB ins Englische übersetzt? World Biggest Computer Building (Weltgrößtes
Computer-Gebäude). Aber ich bin sicher, es heißt anders.“
    Fragend sah er Lattmann an.
    Der hob die Achseln. „Eine zu trockene
Materie für mich, Karl. Sicherlich ein bedeutender Konzern. Aber ich
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