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Die Stunde der Wahrheit

Die Stunde der Wahrheit

Titel: Die Stunde der Wahrheit
Autoren: Raymond E. Feist
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seine Treue weiterhin nur ihr galt. Im stillen ließ sie die geplanten Aktivitäten ihres Ehemannes an sich vorbeiziehen, während sie lebhaft mit der Sklavin sprach, die sich an den wild um sich tretenden nackten Beinen ihres Sohnes zu schaffen machte. »Hol Jican her.«
    Nacoya wölbte die Augenbrauen. »Ins Kinderzimmer?« fragte sie verwundert, doch ihre Herrin ignorierte die Freiheit, die sie sich genommen hatte.
    »Die Angelegenheit duldet keinen Aufschub.« Ohne einen weiteren Kommentar nahm Mara der Sklavin die feuchten Tücher ab und säuberte das schmutzige Hinterteil ihres Kindes.
    Jican tauchte auf; nichts von der Verwirrung, die er fühlte, war ihm anzumerken. Er verneigte sich tief vor seiner Herrin, als diese ihrem Sohn eine saubere Windel anlegte. »Haben wir einige Dokumente, die sich für die Durchsicht meines Lords eignen würden?«
    Jican war kaum in der Lage, seine Abneigung bei der Erwähnung des Lords der Acoma zu verbergen. »Mylady, es sind immer irgendwelche Dokumente da, die sich dazu eignen, von dem Lord des Hauses durchgearbeitet zu werden.« Er verbeugte sich, beschämt darüber, wie nah seine Worte einer Beleidigung gekommen waren, indem sie nahelegten, daß Buntokapi seine Pflichten vernachlässigte. Mara spürte das Unbehagen ihres Hadonras. Sie nahm Ayaki auf die Schulter.
    Dann sprach sie in einem Tonfall weiter, der so süß wie Bienenhonig war: »Dann halte ich es für passend, in der dritten Stunde nach Mittag einen Schreiber zu meinem Gemahl in das Haus in der Stadt zu schicken.«
    Jican unterdrückte seine offene Neugier. »Wenn Ihr das für weise haltet, Mistress, so soll es geschehen.«
    Mara schickte ihn fort und sah, daß Nacoya sie ebenfalls mit schiefem Blick anstarrte. »Du bist taub, Mutter meines Herzens«, sagte die Lady der Acoma weich. »Und geschäftliche Angelegenheiten werden niemals im Kinderzimmer besprochen.«
    Die Amme verneigte sich sofort; sie konnte sich auch so einen ungefähren Reim auf die Absichten ihrer Herrin machen. Das volle Ausmaß von Maras Plänen hätte die alte Frau jedoch über alle Maßen erschreckt. So, wie es auch mich erschreckt, dachte Mara und fragte sich insgeheim, ob die Göttin der Weisheit wohl die Gebete einer Ehefrau erhören würde, die wissend ihren Ehemann provozierte, der bereits für seine Übellaunigkeit bekannt war.
    Buntokapi hob den Kopf von dem zerknüllten, schweißfeuchten Kopfkissen. Die Läden waren noch fest verschlossen, doch selbst die in Scharlachrot, Kastamenbraun und Ockergelb bemalten Vorhänge konnten die Nachmittagssonne, die vom Garten hereinschien, nicht fernhalten. Sie tauchte das Zimmer in einen goldenen Glanz und überzog einzelne Stellen wie die verknäulten Laken und die schlafende Gestalt seiner Geliebten Teani mit ihrer warmen Farbe. Der Lord der Acoma betrachtete ihre prallen Oberschenkel, und seine dicken Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln. Dies war eine richtige Frau, dachte er. Nackt nahm sie ihm in einer Weise den Atem, wie es Maras schlanke Figur niemals getan hatte. Er hatte Leidenschaft für seine Frau empfunden, als sie verheiratet worden waren; doch nachdem er die Freuden von Teanis Talenten geschmeckt hatte, war ihm klar geworden, daß seine Gefühle für Mara dem Wunsch entsprungen waren, die Tochter einer großen Familie zu beherrschen – und seine eigenen begrenzten Erfahrungen mit Frauen aus der Zeit, bevor er Lord geworden war, zu verbessern. Als der Sohn dann endlich geboren war, hatte er eine Zeitlang versucht, die Pflichten eines Ehemannes weiterhin zu erfüllen, doch Mara hatte wie eine Leiche dagelegen, und welcher Mann konnte schon an einer Frau interessiert sein, die keinerlei Herausforderung bot?
    Maras befremdliche Begeisterung für Intellektuelles, ihre Liebe für die Poesie und ihre Faszination für den Stock der Cho-ja verursachten Buntokapi Kopfschmerzen. Seine Geliebte war eine ganz andere Sache. In stiller Bewunderung betrachtete er Teanis lange Beine. Eine Falte in den Laken verbarg ihre Hüften und ihren Rücken, doch eine Woge rotgoldenes Haar, das im Kaiserreich sehr selten war, fiel wie feines Porzellan über ihre Schultern. Teani hatte ihr Gesicht zur Seite gedreht, doch Buntokapi stellte sich ihre Vollkommenheit in Gedanken vor: der volle, sinnliche Mund, der ihn reizen konnte, bis er verrückt zu werden drohte, die gerade Nase, die hohen Wangenknochen und schließlich die bernsteinfarbenen Augen, die ihm die bewundernden Blicke jedes Mannes einbrachten,
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