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Verkehrte Welt

Verkehrte Welt

Titel: Verkehrte Welt
Autoren: Juergen von der Lippe
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BANKGEHEIMNIS
    Ich hatte gerade mein Kärtchen in den Kontoauszugsdrucker gesteckt, als ein maskierter Mann die Bank überfiel.
    »Geld her«, sagte er erstaunlich leise, fast schüchtern, warf einen Jutesack über das Panzerglas und nestelte in seiner Jackentasche. Die Waffe, was auch immer das sein mochte, steckte offensichtlich so unglücklich darin fest, dass er sie nicht herausbekam. Die Nerven, dachte ich und wollte ihm schon zu Hilfe eilen, da hörte ich den Kassierer laut auflachen: »Geld? Was für Geld? Guter Mann, lesen Sie denn keine Zeitung? Wir haben nichts mehr. Nada. Niente. Nothing.«
    »Sie nehmen mich wohl nicht ernst?«, gab der Maskierte zurück.
    »Nein, kein Scherz«, erwiderte der Bankangestellte gut gelaunt und erhob sich von seinem Stuhl. »Kommen Sie herum, ich zeig ihnen gerne unseren Safe. Nichts mehr da. Ebbe. Selbst die abgepackten Geldbündel mit manipulierten Scheinen für Überfälle hat man uns weggenommen.«
    »Tja«, sagte seine Kollegin, mitleidig mit den Schultern zuckend, »da kann man nix machen.« Dann faltete sie sorgfältig den Jutebeutel zusammen und schob ihn durch die Geldschleuse zurück.
    »Mist! Das ist doch ein Komplott, man hat sich gegen mich verschworen, immer dasselbe, hab langsam die Faxen dick«, hörte man den Unglückswurm brabbeln, während er sich den Strumpf vom Kopf zog und auf dem Absatz kehrtmachte. Die tiefe Enttäuschung in seinem Gesicht rührte mich. Ich lief ihm nach und rief: »Hey, Sie haben Ihren Beutel vergessen, Herr Beck!«
    Ich kannte ihn aus dem VHS-Kurs »Dachgeschossausbau - gewusst wie«, wo er mich mit seinem Vortrag über den problemlosen Umgang mit Architekten und Handwerkern ermutigt hatte, dem »Im-Sommer-zu-heiß- und im-Winter-zu-kalt«-Effekt auf den Grund zu gehen.
    Er drehte sich um; ich reichte ihm den Beutel, und er wischte sich damit seine Tränen von der Backe.
    »So schlimm war das nun auch wieder nicht, Herr Beck«, tröstete ich ihn, »stellen Sie sich vor, was mir letztens auf einer kleinen Postbank passiert ist. Es war kurz vor Mittag, ich wollte schnell den Pokergewinn vom Wochenende aufs Sparkonto einzahlen, und als ich dem Beamten das Sparbuch und die 8000 über die Theke schiebe, zieht der plötzlich eine Pistole, stellen Sie sich das mal vor. Der hat mir alles abgeknöpft, Portemonnaie, Brieftasche, selbst den Ehering, und bevor ich gehen durfte, musste ich ihm sogar noch einen …«
    »Sagen Sie nichts, ich weiß Bescheid, dasselbe ist mir auch passiert. Ich wollte bei der Dresdner Bank was abheben, da zeigt der mir eine Flasche Kleiner Feigling‹ und sagt frech: ›Hier drin ist der Ebola-Virus! Wenn Sie einen anderen Tod sterben möchten, dann stellen Sie mir jetzt mal flott einen Barscheck über Ihr gesamtes Guthaben aus, oder…‹ Na ja, wir haben noch ein bisschen erzählt und uns zum Nordic Walken verabredet. Vielleicht klappt's ja, natürlich nur, falls sie ihm nicht die Stöcke klauen.«
    Dieses eBook wurde von der Plattform libreka! für Leipzig 2011 mit der Transaktion-ID 1075178 erstellt.

ALTE LIEBE
    Sie trafen sich zufällig bei der Eröffnung einer Ausstellung im Museum für Zeitgenössische Kunst wieder und begrüßten einander herzlich mit gegenseitigen Umarmungen und Oberarmboxen.
    »Das ist ja ein Ding, Mann, wir haben uns doch bestimmt 20 Jahre nicht gesehen!«, sagte Hape, inzwischen selbst ein berühmter Maler.
    »Wenn das mal ausreicht«, lachte Bruno.
    »Männer, es sind exakt 25 Jahre, ich weiß es genau«, korrigierte Christian, dessen Gedächtnis wie eine Rechenmaschine funktionierte, weshalb er zu Recht die Leitung des Stadtarchivs innehatte. Gemeinsam gingen sie durch die Ausstellung, handelten luzid die Qualität der gezeigten Werke ab und genossen die alte Vertrautheit, die ihr gemeinsames Kunstinteresse rasch hatte auferstehen lassen. Sie hatten damals jede Menge saugute Zeit miteinander verbracht, bis sie erkannten, dass sie blöderweise alle in dieselbe Frau verknallt waren, aber das war lange her.
    »Und, was treibt ihr so zum privaten Vergnügen?«, fragte Hape, nachdem sie sich im Foyer etwas zu trinken beschafft hatten.
    »Im Augenblick guck ich mir am liebsten bei YouTube ›Malen mit Bob Ross‹ an«, erzählte Bruno, der als Chef-Produktdesigner einer Weltfirma im Elektroniksektor Auszeichnungen und die entsprechende Bezahlung einfuhr.
    »Jau, ich erinnere mich«, lachte Hape, »der war rattenscharf.«
    »Genau«, kicherte Christian, »hab ich mir in den Siebzigern auch
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