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Die Stunde der Wahrheit

Die Stunde der Wahrheit

Titel: Die Stunde der Wahrheit
Autoren: Raymond E. Feist
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teilweise von Vorteil gewesen. In seiner schwerfälligen Art hatte Buntokapi erkannt, daß Maras Talent für den Handel seines in den Schatten stellte, und er hatte sich darauf beschränkt, darauf zu achten, daß seine Frau nicht die Kontrolle über seinen Haushalt erhielt. Er dachte niemals daran, daß sie vor der Heirat die Garnison ebenso geschickt verwaltet hatte, und daher kam es ihm niemals in den Sinn, andere seltsame Praktiken auf diesem Besitz zu hinterfragen, wie zum Beispiel, weshalb Papewaio ein schwarzes Tuch um den Kopf trug. Auch wurde Buntokapi trotz seines Interesses an der Kriegskunst niemals vertraut mit den Männern. Ihre Geschichte war nicht von Interesse für ihn; sonst hätte er längst entdeckt, daß sie Graue Krieger gewesen waren, bevor sie das Grün der Acoma erhalten hatten. Sicherlich mangelte es ihm an Vorstellungsvermögen und Phantasie, um solche Veränderungen der Traditionen für möglich zu halten, dachte Mara. Dann rief sie sich nachdrücklich wieder zur Vernunft. Selbst in Gedanken durfte sie nicht nachlässig werden. Zu oft hatte er ihr gezeigt, daß er mehr als nur ein einfacher Krieger war.
    Dennoch hatte der Mann keinen Sinn für Feinheiten. Als sie sein dröhnendes Gelächter im Truppenhof hörte, wo er Krieger für seine Eskorte zusammenstellte, fragte sie sich, was ihn zu diesem linkischen Versuch der Heimlichtuerei veranlaßt haben mochte. Die Langeweile führte ihn vermutlich in der Mittagshitze nach Sulan-Qu, um dort mit anderen Soldaten zu baden und Geschichten auszutauschen oder vielleicht auch zu ringen und zu wetten … oder um sich mit einer Frau aus der Ried-Welt zu vergnügen.
    Buntokapi war bald nach der Geburt Ayakis in Maras Bett zurückgekehrt, doch nun, da die Acoma einen lebenden Erben besaßen, gab es keinen Grund mehr, die gehorsame Frau zu spielen. Buntokapis klammernde, sabbernde Umarmung ekelte sie an, und sie hatte still dagelegen und seine Leidenschaft kein bißchen erwidert. In der ersten Nacht schien er es nicht bemerkt zu haben, doch in der zweiten war er wütend geworden. In der dritten hatte er sich bitterlich über ihren Mangel an Begeisterung beklagt, und in der vierten Nacht hatte er sie geschlagen, bevor er mit einer ihrer Dienerinnen schlief. Von da an hatte sie auf seine Annäherungsversuche gar nicht mehr reagiert, und schließlich hatte er begonnen, sie zu ignorieren.
    Doch jetzt machte sich Buntokapi zum dritten Mal innerhalb von zehn Tagen in die Stadt auf, und Mara interessierte, warum. Sie rief Misa herbei, damit sie die Läden aufmachte, und sobald die Sänfte ihres Mannes und seine kleine Eskorte von Kriegern in raschem Tempo in Richtung des Wegs zur Kaiserlichen Straße entschwanden, ließ sie nach Nacoya schicken.
    Die alte Frau reagierte etwas verspätet auf ihren Ruf, doch ihre Verbeugung ließ keinen Mangel an Respekt erkennen. »Meine Herrin wünschen?«
    »Was veranlaßt Lord Bunto, in der letzten Zeit so häufig in die Stadt zu gehen?« fragte Mara. »Welche Gerüchte kursieren unter den Bediensteten?«
    Nacoya warf einen bedeutsamen Blick auf Misa, die beim Fensterladen stand und auf weitere Wünsche ihrer Herrin wartete. Mara war vorgewarnt, daß die Antwort nicht unbedingt für die Ohren einer Bediensteten bestimmt war, und so schickte sie ihre Zofe hinaus, das Mittagessen zu holen. Als Misa davoneilte, seufzte Nacoya. »Es ist genauso, wie Ihr es vermutet habt. Euer Ehemann hat sich in der Stadt ein Haus genommen, damit er sich mit einer Frau treffen kann.«
    Mara lehnte sich zurück. »Gut. Wir müssen ihn ermutigen, so oft wie möglich in der Stadt zu bleiben.«
    Nacoyas Gesicht erhellte sich vor Neugier. »Tochter meines Herzens, ich weiß, daß einige Dinge geschehen sind, Dinge, die nicht rückgängig gemacht werden können, aber ich bin dennoch die einzige Mutter, die Ihr jemals hattet. Wollt Ihr mir nicht erklären, was Ihr vorhabt?«
    Fast wäre Mara der Versuchung erlegen. Doch ihre Strategie, wie sie die Kontrolle über das Haus zurückerlangen wollte, beruhte sehr stark auf dem Verrat an ihrem Lord. Wenn Nacoya auch bereits Maras Absicht, Buntokapi loszuwerden, erahnt hatte, so war es dennoch zu gefährlich, den Plan zu verraten. »Das ist alles, alte Mutter«, sagte Mara mit fester Stimme.
    Die Amme zögerte etwas, dann nickte sie, verneigte sich und verließ das Zimmer. Mara blieb zurück; sie starrte auf das Baby, das sich in der Wiege rührte. Doch ihre Gedanken drehten sich keineswegs um das Wohlergehen
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