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Die Stunde der Wahrheit

Die Stunde der Wahrheit

Titel: Die Stunde der Wahrheit
Autoren: Raymond E. Feist
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Ayakis. Indem Buntokapi sich in der Stadt eine Frau zugelegt hatte, bot er ihr vielleicht genau die Möglichkeit, nach der sie gesucht hatte. In der Hoffnung, daß die Götter sich jetzt endlich ihrer annehmen würden, begann Mara die Möglichkeiten dieser neuen Entwicklung im Kopf durchzugehen, bis Ayakis gesundes Geschrei sie aus ihren Gedanken riß. Mara hob das ungeduldige Baby an ihre Brust und zuckte zurück, als der kleine Junge in ihre Brustwarze biß. »Au!« rief sie erstaunt. »Du bist der Sohn deines Vaters, kein Zweifel.« Das Baby beruhigte sich, als es zu saugen begann, und Misa kehrte mit einem Tablett zurück. Mara aß, ohne dem Essen große Beachtung zu schenken, denn ihre Gedanken waren mit einem Plan beschäftigt, dessen Gefährlichkeit die Vorstellungskraft ihrer alten Amme bei weitem überstieg. Das Risiko war groß. Eine einzige Fehleinschätzung, und sie würde jede Chance verlieren, jemals wieder die Herrscherin der Acoma zu werden; tatsächlich brachte sie im Falle eines Scheiterns Schande über die Ehre ihrer Ahnen – ohne jede Hoffnung auf Sühne.

    Mara schenkte Chocha ein und hockte sich auf die Fersen, als Gijan, der Sohn von Lord Detsu von den Kamaiota, höflich nickte. Seine Geste signalisierte brennende Ungeduld, doch selbst seiner kritischen Natur war es unmöglich, an der Gastfreundschaft der jungen Frau etwas auszusetzen. Sie hatte dafür gesorgt, daß er es sich in den feinsten Kissen bequem machen konnte, hatte ihm eine Erfrischung angeboten und ihrem Mann unverzüglich die Nachricht zukommen lassen, daß ein alter Freund unerwartet erschienen war und darauf wartete, ihn zu begrüßen.
    Gijan lehnte sich zurück; bewundernd betrachtete er die Ringe an seinen Händen. Seine Nägel waren beinahe bis zur Pingeligkeit sauber und die Juwelen protzig, doch der Rest seiner Kleidung war eher zurückhaltend. »Und wo könnte sich Lord Buntokapi also aufhalten?«
    »Ich vermute, er ist wegen einer geschäftlichen Angelegenheit in die Stadt gereist.« Mara verriet nichts von dem Groll, den eine junge, hübsche Frau eigentlich bei der Abwesenheit ihres Mannes empfinden müßte. Sie war sich bewußt, daß Buntokapis Gast sie eindringlich betrachtete, und winkte leichthin mit der Hand. »Ihr wißt ja, daß diese Dinge jenseits meines Verständnisses liegen, Gijan, wenn ich auch sagen muß, daß er viel Zeit außerhalb des Hauses verbringt.«
    Gijans Augen verengten sich; die selbstvergessene Bewunderung für seinen Jadering erwies sich jetzt als Ablenkungsmanöver. Mara nippte an ihrer Chocha; sie war sicher, daß dieser Gast gekommen war, um für die Anasati zu spionieren. Zweifellos wollte Lord Tecuma wissen, wie sich sein dritter Sohn als Lord der Acoma machte. Er hatte einen gutaussehenden Boten geschickt, möglicherweise in der Hoffnung, der Kontrast zu Buntokapi könnte die junge Ehefrau eher dazu verleiten, frei heraus zu sprechen. Nach einer kurzen Pause sagte der junge Edle: »Vernachlässigt der alte Gauner also seine Geschäfte?«
    »Oh nein, Gijan.« Mara wollte ihrem Schwiegervater nicht auch noch die Entschuldigung dafür liefern, sich noch weiter in die Angelegenheiten der Acoma einzumischen, und daher holte sie weiter aus. »Wenn überhaupt, dann ist Lord Buntokapi eher allzu genau in der Handhabung der geschäftlichen Dinge. Er verbringt viele Stunden an seinem Schreibtisch.«
    Lord Gijans maskenhaft freundlicher Gesichtsausdruck wich blanker Ungläubigkeit. »Bunto?« Er war sich bewußt, daß er damit seine Einschätzung des neuen Lords der Acoma verraten hatte, und schloß den offenen Mund schnell wieder. »Natürlich. Bunto war immer ein sorgfältiger Bursche.«
    Mara unterdrückte ein Lächeln. Sie beide logen schamlos und wußten es auch; doch ein Gast durfte das Wort des Gastgebers nicht anzweifeln, ohne daß die heikle Frage der Ehre berührt wurde.
    Nachdem sie das Thema »Buntokapi und die Verwaltungsangelegenheiten« derart wirksam abgeschlossen hatten, verstrich der Morgen langsam bei höflicher Unterhaltung. Mara ließ Thyza-Brot und Fisch bringen, was Gijan in seinen Bemühungen, sie auszufragen, etwas nachlässiger werden ließ, bis der Läufer schließlich aus der Stadt zurückkehrte. Nackt bis auf den Lendenschurz und atemlos vom Rennen fiel er vor Mara auf die Knie. »Mistress, ich bringe Nachricht vom Lord der Acoma.«
    »Was wünscht mein Gemahl?« fragte Mara freundlich.
    Der Sklave hatte sich kaum den Staub der Reise von den Füßen gewaschen, bevor er
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