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Die Stunde der Wahrheit

Die Stunde der Wahrheit

Titel: Die Stunde der Wahrheit
Autoren: Raymond E. Feist
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zu ihr gekommen war; noch immer rang er nach Atem. »Lord Buntokapi sagt, es täte ihm sehr leid, daß er abwesend war, als sein lieber Freund Gijan von den Kamaiota ihn rief. Es ist ihm zur Zeit unmöglich, auf das Gut zurückzukehren, und er bittet darum, daß Gijan ihn in Sulan-Qu aufsucht.«
    Gijan nickte dem erschöpften Sklavenjungen zu. »Sag meinem Diener, er soll die Sänfte vorbereiten.« Dann lächelte er Mara an. »Wenn Mylady nichts dagegen haben?« Mara lächelte zurück; sie reagierte nicht auf seine Unverschämtheit, als er ihrem Läufer einen Befehl gab, als wäre es lediglich ein weiteres Recht eines Mannes im Beisein einer Frau. Wie anders war es doch gewesen, als sie selbst Herrscherin gewesen war. Und es würde auch wieder anders sein, schon bald sogar; das schwor sie sich, als sie ihrem Dienstmädchen befahl, das Tablett mit dem Essen abzuräumen. Dann nahm sie ihre ganze Leichtigkeit und all ihre Anmut zusammen und brachte Gijan zur Haustür des Herrenhauses.
    Während sie in der Halle darauf wartete, daß sich die Eskorte des Besuchers versammelte, schickte sie ihren Läufer fort und seufzte innerlich erleichtert auf. Sie hatte befürchtet, daß Buntokapi zurückkommen würde. Wenn auch der Fußmarsch von der Stadt bis zum Gut zwei Stunden dauerte, so konnte ein Läufer in der Hälfte der Zeit hin und zurück laufen. Mit der Sänfte würde Gijan die Stadt nicht lang vor Sonnenuntergang erreichen. Ohne Zweifel liebte er ebenfalls das Wetten, und so würde Buntokapi seinem Jugendfreund ganz sicher nicht zumuten, nach Einbruch der Dunkelheit zurückzukehren. Würfel-und Kartenspiele und das Wetten würden die beiden also über Nacht in der Stadt halten, und das war ein kleiner Segen der Götter. Mara hatte bereits begonnen Buntos Abwesenheit schätzen zu lernen, doch dies war eine Freiheit, die sie nicht zu sehr lieben durfte, wenn nicht die Ungeduld ihren Untergang herbeiführen sollte.
    Gijan verneigte sich formvollendet zum Abschied. »Ich werde Eurem Gemahl Komplimente über Eure Gastfreundschaft machen, wenn ich ihn sehe, Lady Mara.« Er lächelte sie plötzlich sehr charmant an, und Mara begriff, daß dieser junge Mann darüber nachdachte, ob auch sie zu den unbeachteten Frauen gehörte, die nur zu gern in eine kleine Romanze einwilligten.
    Förmlich und etwas distanziert brachte sie ihn eilig zur Tür. Sie wollte ihre Zeit nicht auch noch damit verschwenden, die Annäherungsversuche verliebter jüngerer Söhne abzuwehren. Was sie von Bunto über den Liebesakt erfahren hatte, hatte sie nur in der Überzeugung bestärkt, daß sie sehr wenig von Männern brauchte. Falls sie jemals wieder die Gesellschaft eines Liebhabers benötigen würde, wäre er ganz sicher nicht wie dieser dumme, eitle Edelmann, der sich jetzt verabschiedete, um mit Bunto zusammen die Nacht mit Spielen, Wein und Huren zu verbringen. Als die Sänfte verschwand, hörte Mara lautes Geschrei aus dem Kinderzimmer.
    »Männer«, stöhnte sie atemlos und eilte zu ihrem Sohn. Der Junge mußte gewickelt werden. Mit anderen Gedanken beschäftigt, reichte Mara ihn an Nacoya weiter, die ihr Geschick im Umgang mit Kindern nicht verloren hatte. Als die alte Frau mit den Fingern und Zehen des Kindes zu spielen begann, versuchte Mara sich Buntokapis Reaktion auf Gijans Besuch vorzustellen.

    Am nächsten Nachmittag schien es, als hätte sie seine Gedanken gelesen. Buntokapi trug noch die Kleider, die er zum Ringen angezogen hatte, und Öl und Schweiß von den Übungen glänzten auf seiner Haut. Er kratzte sich zwischen den dichten Haaren auf seiner Brust. »Wenn jemand ruft und ich in der Stadt bin, verschwende nicht soviel Zeit damit, Boten zu schicken, Frau. Sende sie einfach direkt zu meinem Haus in der Stadt.«
    Mara wippte Ayaki auf den Knien, während sich ihre Augenbrauen fragend wölbten. »Zu Eurem Haus in der Stadt?«
    Buntokapi antwortete über die Freudenschreie seines Sohnes hinweg, als wäre die Angelegenheit nur von untergeordneter Bedeutung. »Ich habe ein größeres Quartier in Sulan-Qu bezogen.« Er gab keinen näheren Grund dafür an, doch Mara wußte, er hatte das Haus eingerichtet, um sich mit seiner Geliebten, einer Frau namens Teani, zu treffen. Soweit Mara sich erinnern konnte, hatte Lord Sezu niemals die Notwendigkeit verspürt, ein Haus in der Stadt zu mieten. Wenn diese Praxis auch bei den Lords anderer Besitztümer, die entfernter lagen, üblich war, so waren diese doch immer nach Hause zurückgekehrt, um
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