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Die Stimme

Titel: Die Stimme
Autoren: Judith Merkle-Riley
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war mir auch schon vor gar nicht langer Zeit gekommen. Ob Gott wohl etwas dagegen hat, wenn wir heiraten?«
    Margaret wollte lachen.
    »Gregory, Ihr seid verrückt. Ist das etwa ein Heiratsantrag?«
    Gregory blickte erstaunt, dann sah er sich im Raum um, als ob er nicht wüßte, woher ihm die Idee gekommen war, und als ob er vielleicht ein unsichtbares Loch in der Luft über seinem Kopf entdecken könnte, durch das sie herabgefallen sein mochte.
    »Ei, ja, es sieht so aus – ich hätte nie gedacht, daß ich es herausbringen würde.«
    »Ich auch nicht.«
    »Also, Margaret, eigentlich bin ich nicht mehr Gregory – nur schlicht Gilbert. Den Namen hatte ich mir aufgespart für – für meine Rückkehr.«
    »Gilbert? Der paßt aber nicht sehr gut zu Euch – könnt Ihr den anderen Namen nicht noch ein wenig länger beibehalten?«
    »Den habe ich leider schon länger behalten, als schicklich ist.«
    »Ehrlich, Gregory, Ihr seid schlimmer als Bruder Malachi.«
    »Margaret, wir sitzen aber immer noch in der Klemme. Ihr habt Vater gehört. Wir werden ein Weilchen bei ihm wohnen müssen, und dann hackt er Tag und Nacht auf uns herum. Mich macht das verrückt. Soll ich Euch nicht doch lieber zum Fenster hinausheben, daß Ihr zu den Nachbarn laufen könnt?«
    »Ich glaube, deswegen hat Euer Vater uns die beiden Männer da mitgegeben«, sagte Margaret und deutete auf sie. »Außerdem hat er recht, auch wenn er ein Ungeheuer ist. Das hieße nur, das Problem vor sich herschieben, und wer weiß, was noch auf uns zukommt.«
    »Dann würde es Euch also nichts ausmachen –?«
    »Nein, sehr lieb, daß Ihr mich fragt. Ihr fragt wenigstens noch, statt einfach anzuordnen. Außerdem glaube ich – ich glaube, ich möchte schon, Gregory.«
    »Alles abgemacht da drinnen?« dröhnte Sir Huberts Stimme, »oder muß ich etwa noch nachhelfen?«
    »Abgemacht«, sagte Bruder Gregory und kam mit Margaret heraus, die bewaffneten Stallburschen folgten ihnen.
    »Teilweise abgemacht«, sagte sein Vater und musterte ihn grimmig von oben bis unten. »Jetzt will ich wissen, ob du in diesem elendigen Orden heiliger Schwachköpfe, bei dem du dich rumgedrückt hast, irgendwelche Gelübde abgelegt hast.«
    »Nichts Endgültiges, Vater«, sagte Bruder Gregory kurzangebunden. Vater brachte ihn schon wieder in Harnisch.
    »Gut – spart mir einen Scheffel Geld, wenn ich dich bei denen nicht loskaufen muß. Kaum zu glauben, daß du soviel Grips gehabt hast.« Er durchmaß das Zimmer mit großen Schritten und musterte seinen wirrköpfigen Sohn, während er weiter nachdachte. »Und früher? Als du dich ins Ausland abgesetzt hattest?«
    »Niedere Weihen, Vater, gehören zu einem Universitätsexamen dazu«, sagte Bruder Gregory in einem Ton, als wollte er einem Einfaltspinsel etwas erklären, was jeder wissen dürfte. Er spürte, wie die Wut in ihm hochstieg, obwohl er sich Mühe gab, nicht außer sich zu geraten.
    »Ja – was?« sprudelte der alte Mann hervor, während sein Gesicht knallrot anlief. »Ei, du Riesenblödian! Du und eine Wittib heiraten? Von der Anklage wegen Bigamie werde ich dich freikaufen müssen! Käme mich verdammt nochmal einen Batzen billiger, wenn ich Hugo an eine Wittib verheiratete, das kann ich dir sagen. Und Hugo würde sich gewißlich nicht so albern aufführen wie du!« Nun lief auch Bruder Gregory rot an, und die Adern an seinen Schläfen pochten. Er brüllte:
    »Also, in dem Fall kannst du gleich –«
    Genau in diesem Augenblick mahnte so etwas wie eine Stimme im Kopf des alten Mannes: »Vorsicht, Vorsicht! Wann bist du deinem Herzenswunsch je so nahe gewesen? Man fängt kein weidendes Pferd, wenn man ihm das Zaumzeug zeigt. Jetzt darf er dir nicht mehr entwischen – zeig ihm den Hafereimer, nicht die Peitsche.« Und Sir Hubert unterbrach seinen Sohn jählings mitten im Satz und sagte in ungewohnt heiterem und versöhnlichen Ton:
    »Ach, laß doch, Gilbert, mir ist da ein Gedanke gekommen. Reg dich ab – das soll uns jetzt nicht bekümmern. Ich beleihe ihre Erbschaft und rechne dann später mit dir ab. Unser Bischof ist ein entgegenkommender Bursche – hast du eigentlich gewußt, daß er auch ein Vetter ist? Dritten Grades, mütterliche Linie. Sie kriegen von mir noch gratis einen Schrein dazu, wenn du möchtest – etwas in Namen deiner Mutter wäre wohl angebracht, meinst du nicht auch?«
    Damit überrumpelte er Bruder Gregory derart, daß dem die Worte fehlten und seine Adern wieder abschwollen.
    »Na? Sagt dir das Ganze
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