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Die Stadt der Engel

Die Stadt der Engel

Titel: Die Stadt der Engel
Autoren: Will Berthold
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Die junge Frau mit den sanftroten Haaren und meergrünen Augen, ein Blickfang ohnegleichen, hatte eine lange Reise hinter sich, aber es sah nicht so aus, als sei sie bereits zu Ende, denn der Zubringer-Jet aus Frankfurt kreiste seit einer halben Stunde ohne Landeerlaubnis in der Waschküche über dem Flughafen München-Riem. Es hellte ein wenig auf, und kurze Zeit später wurde dem Flugkapitän eine Einflugschneise zugewiesen.
    Die VIP-Passagierin, die nach langem Nachtflug aus Washington in Frankfurt umgestiegen war, wirkte trotz der Strapaze frischer als der junge Tag, eher ungeduldig als erschöpft. Seit Dany Callway in Langley, dem Hauptquartier des US-Geheimdienstes, streng vertrauliche Informationen aufgeschnappt hatte, war ihr klar, daß sie zur Enttäuschung ihrer in München lebenden Mutter so rasch wie möglich nach Südostasien Weiterreisen mußte: Ein guter Journalist hetzt nicht hinter den Ereignissen her, er fliegt ihnen entgegen. In diesem Fall nach Krung Thep. In die Stadt der Engel. Weit bekannter ist die berstende Menam-Metropole in der Neuen wie der Alten Welt unter dem Namen Bangkok. Dieser künstliche Name ist praktischer, doch auch unromantischer, und dabei haben weder Europäer noch Amerikaner etwas gegen Engel, zumal siamesische.
    Die Bordlautsprecher wurden eingeschaltet: »Wir werden in wenigen Minuten in München landen«, meldete sich der Flugkapitän: »Bitte schnallen Sie sich an und stellen Sie das Rauchen ein. Besten Dank.«
    Dany Callway stellte ihren Sitz hoch und rückte den Zeiger ihrer Armbanduhr um sechs Stunden vor, die München New York voraus war. Die Zeitverschiebung konnte ihr nichts anhaben; häufige Atlantik-Überquerungen hatte ihr wie Politikern oder Tennisstars beigebracht, während des Flugs zu schlafen.
    Es war jetzt acht Uhr, und ein geschäftiger Tag lag vor ihr.
    Bereits zu dieser Stunde traten an diesem letzten Dienstag des Januar im Camp zu Pullach die leitenden Beamten des Regierungsdirektors Wilhelm Pallmann zu einer plötzlich anberaumten Geheimbesprechung zusammen. Sie waren mitten in der Nacht alarmiert und vorzeitig zu ihrer Dienststelle beordert worden. Die Atmosphäre war geladen wie vor einem Wolkenbruch. Das Barometer stand auf Sturm. Vermutlich war eine weitere Hiobsbotschaft aus der thailändischen Hauptstadt eingegangen.
    »Meine Herren«, sagte der Regierungsdirektor, ein untersetzter, kompakter Typ, ein Jurist, der aussah wie ein Freizeit-Boxer. »Leider ist die Situation in Bangkok unhaltbar geworden. Ich nehme an, daß die eine oder andere Einzelheit längst gerüchteweise zu Ihnen durchgedrungen ist.« Der Leiter der Südostasien-Abteilung, der vor seiner Beförderung zum Vizepräsidenten des Bundesnachrichtendienstes stand, wie jeder in Pullach wußte, erwartete keine Bestätigung und erhielt sie auch nicht. »Ich habe Herrn Schlumpf, der an der Aufklärung dieser mysteriösen Vorfälle arbeitet, um eine Blitzanalyse gebeten. Bitte gedulden Sie sich noch einen Moment, meine Herren, der Kollege Schlumpf telefoniert gerade mit unserer Residentur in Bangkok.«
    Im Flughafengedränge wehrte Dany lächelnd einen Mitreisenden ab, der ihr den Koffer tragen wollte. Sie pflügte ihren Samsonite auf Rollen durch den Trubel der Halle. Die Passanten wichen zunächst unwillig beiseite, doch dann bildeten sie trotz ihrer Hast eine Gasse der Huldigung. Sobald man die Dreißigjährige erkannt hatte, war sie auch schon entkommen.
    Sie wirkte schlank wie ein Mannequin, attraktiv wie ein Fotomodell, wandelbar wie eine Schauspielerin und schön wie eine preisgekrönte Miß. Von jeder Kategorie zeigte sie etwas und war doch kein Verschnitt. Sie hatte Verstand, sie führte Persönlichkeit vor, und sie gab sich selbstbewußt, doch nicht arrogant.
    Ein Taxifahrer verstaute ihr Gepäck in Kofferraum. »Sie sind doch Dany Callway!« sagte er. »Stimmt's?«
    »Bitte nicht weitersagen!« erwiderte sie und setzte sich neben ihn. »Zum GLOBUS-Haus am Luitpoldpark!«
    »In Eile?«
    »Immer«, versetzte die Reisende. »Vielleicht können Sie es so einrichten, daß Sie über die Franz-Joseph-Straße fahren und dort kurz bei RO-Reisen halten.«
    »Wird gemacht«, entgegnete der Taxifahrer, der sich sein Germanistik-Studium durch Halbtagsarbeit verdiente. »Sie schreiben wirklich prima. Ich lese von Ihnen, was mir zwischen die Finger kommt. Die Astronauten-Saga zum Beispiel oder diese Säufer-Story in Brooklyn – einfach Klasse.«
    »Vielen Dank«, erwiderte Dany und lächelte
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