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Die Stadt der Engel

Die Stadt der Engel

Titel: Die Stadt der Engel
Autoren: Will Berthold
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Tropenparadies, Sextourismus«, zählte Dany auf, »Flora, Fauna, Kult und Kultur, Feudalismus, Machtpolitik, Korruption.«
    »Na, schön«, resignierte Frank Flessa. »Unsere Gemeinsamkeit lebt ohnedies nur von der Trennung.« Er sah auf die Uhr. »Ich hab' noch jetzt eine Besprechung und muß anschließend zur Aussegnung im Nordfriedhof. So long, Dany!« verabschiedete er sich. »Vielleicht können wir wenigstens den Lunch zusammen einnehmen.«
    »Moment noch!«, sie hielt ihn auf: »Hättest du etwas dagegen, Frank, wenn ich dich zum Nordfriedhof begleite?«
    »Ganz und gar nicht, Liebes«, erwiderte er. »Bei solchen Anlässen bin ich froh, nicht allein zu sein.«
    Dany blieben gut 60 Minuten Zeit, um sich für den Abschied von Paul Garella etwas Passendes anzuziehen, 55 Minuten mehr, als sie benötigte.
    Das Bangkok-Telefonat des Referenten Heinrich Schlumpf hatte sich endlos in die Länge gezogen und die Nervosität noch gesteigert. Die Herren Weidekaff und Sanftleben, hausintern Max und Moritz genannt, als ewige Streithähne gewissermaßen die bösen Buben der in Bedrängnis geratenen Südostasien-Abteilung, wirkten heute ausnahmsweise friedfertig. Als Vertreter Pullachs zur Garellas-Beerdigung abgestellt, trugen sie zu ihren schwarzen Krawatten ernste Mienen; sie sahen jetzt schon auf die Uhr.
    »Geduld, meine Herren!« sagte Ressortchef Pallmann zu den beiden Regierungsräten. »Sie haben viel Zeit und kommen mit Sicherheit noch pünktlich.«
    Die BND-Zentrale, Camp genannt, lag im Isartal, zehn Kilometer südlich von München. Noch immer war das Areal 60.000 Quadratmeter groß und durch eine eineinhalb Kilometer lange Mauer gegen die Öffentlichkeit abgeschirmt. Noch immer gab es, wie zu Zeiten General Gehlens, das ›Weiße Haus‹ als Mittelpunkt.
    Sonst hatte sich viel geändert. Die Zeit der alten Gruftspione war vorbei, die Mitarbeiter des Generals hatte man fast alle schon pensioniert. Die Neuen waren eher Eierköpfe als Heißsporne. Zunehmend hatten Spionage-Satelliten, der Funkabhördienst und die elektronische Datenverarbeitung die Nachrichtenfindung übernommen.
    Trotzdem galt die Knochenarbeit vor Ort noch nicht als überflüssig. Bei Freund und Feind unterhielt der Bundesnachrichtendienst Residenturen, getarnt als Handelsgeschäfte oder Import-Export-Agenturen. Es gab wichtige und weniger aufregende Nachrichten-Umschlagplätze. Bangkok war einer der bedeutendsten. Thailand, umgeben von kommunistischen Staaten, wurde als ein Bollwerk des Westens bewertet, das der rote Untergrund in ein zweites Vietnam verwandeln wollte.
    »Entschuldigung«, sagte Oberregierungsrat Heinrich Schlumpf, als er außer Atem den Konferenzraum betrat. »In Bangkok ist wirklich der Teufel von der Kette.«
    Der Referent, glänzend qualifiziert, sah aus wie ein pedantischer Bankbeamter. Er galt als ehrgeizig und dünnhäutig, er war ein scharfer Analytiker, unaufhaltsam auf dem Weg nach oben. Die meisten Kollegen mochten ihn nicht, stellten sich aber mit dem geborenen Aufsteiger sicherheitshalber gut.
    »Ich versuche mich kurzzufassen«, versprach Pallmanns Günstling. »Seit etwa sieben Monaten meldet unsere Bangkok-Residentur eine Reihe mysteriöser Geschehnisse. Wir haben sie zunächst auf kleiner Flamme gekocht.« Er betrachtete den Ressortchef, der ihm zunickte; sein Blick streifte Aumer, Friedmann und Rauchalles, die ihm zuhörten wie beflissene Musterschüler. »Wir waren geneigt«, fuhr Schlumpf fort, »die Pannen als unglückliche Zufälle zu bewerten und keine Panik aufkommen zu lassen. Wir müssen heute aber annehmen, daß unseren Gegenspielern, offensichtlich unter neuer Leitung, einige Einbrüche in unser Netz gelungen sind. Davon müssen wir – leider – ausgehen. Wir haben dem unbekannten Mister X, der mit neuer Qualität den subversiven Kampf gegen uns wie gegen unsere Kollegen von der CIA leitet, den Decknamen Sulla gegeben.«
    Die sechs Umsitzenden nickten; einige lächelten. Das Pseudonym für den gegnerischen Mr. Unbekannt war zweifellos von dem Regierungsdirektor erfunden worden. In Pullach führte Pallmann wegen seiner Vorliebe für die Antike, speziell die altrömische, den Spitznamen Cicero. Mußte ein Vorgang rasch erledigt werden, versah er ihn nicht mit dem Stempel ›Eilsache‹, sondern mit dem handschriftlichen Vermerk ›Citissime‹. Seine drei Töchter hießen Marcella, Lavinia und Jucunda, und die Sekretärinnen des Hauses nannte der künftige Vize Vestalinnen; freilich wurden sie nicht
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