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Die Stadt der Engel

Die Stadt der Engel

Titel: Die Stadt der Engel
Autoren: Will Berthold
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Tonband und hallte in der trostlosen Halle mit der hohen Decke wider. Die Trauergäste hatten ergriffene Gesichter und sahen auf die Armbanduhr. In wenigen Minuten läge die bedrückende Zeremonie hinter ihnen.
    Dany starrte auf den schlichten Eichenschrein, in dem der Mann lag, den seine Verfolger nach fünf Jahren doch noch eingeholt und getötet haben mußten. Sie überlegte, wie viele der bestgehüteten Geheimnisse der unsichtbaren Front Paul Garella wohl mit ins Grab nehmen würde. Auch wenn es ihr versagt bliebe, darüber zu schreiben, machte sie sich über den Fall ihre Gedanken. Und je länger sie darüber nachdachte, desto mehr schien er sich für sie zu lichten. Vermutlich hatte sich die internationale Lage schneller verändert als die KGB-Zentrale in Moskau den Mordbefehl gegen den Petrowski-Entführer aussetzen oder aufheben konnte.
    Zu diesem Zeitpunkt mußte die Liquidierung Garellas den Sowjets genauso ungelegen kommen wie den Amerikanern.
    Vor sechs Jahren war in den USA ein zweitrangiger Schauspieler als US-Präsident zu einer erstklassigen Rolle gekommen, hatte sie überragend gespielt und den Himmel der Popularität erstürmt.
    Dann, ganz plötzlich, war der persische Flop aufgedeckt worden: Mit oder ohne sein Wissen hatte Amerika dem Todfeind Khomeini für angebliche Geiselbefreiung Waffen geliefert und mit dem Erlös die Rebellen in Nicaragua finanziert. Der unsagbar dumme, dilettantische und unmoralische Schacher wurde von der Presse enthüllt und ›Irangate‹ drohte den früheren Hollywood-Cowboy Reagan aus dem Sattel zu werfen.
    Er mußte seine Berater entlassen, sich als Büßer vor dem Fernsehen an die Brust klopfen. Er wurde als Pantoffelheld verlacht, und seine Erklärung stellte den amerikanischen Wähler vor die Frage, ob ihr Präsident sie angelogen habe oder der Tölpel seiner Berater gewesen sei.
    In dieser heillosen Situation warf ihm ausgerechnet sein sowjetischer Gegenspieler Gorbatschow einen Rettungsring zu: Der neue Mann im Kreml schlug vor, die Mittelstrecken-Raketen zu verschrotten, die chemischen Waffen zu vernichten und über weitere Zugeständnisse mit sich reden zu lassen. Der angeschlagene US-Präsident, sonst eher als Scharfmacher bekannt, sah ein Chance, sich nunmehr als Friedenspräsident zu profilieren und damit Amerikas Bewunderung zurückzuerobern.
    Da wurde in dieser Annäherungs-Phase Paul Garella durch einen vermutlich überholten Mordbefehl liquidiert. Wenn es die Öffentlichkeit erfuhr, drohte ihr Entrüstungssturm Reagans neue Profilierung zu erschüttern.
    Also, steigerte sich Dany in die Schlußfolgerung hinein, machte man aus einem Polit-Mord einen Verkehrsunfall und unterschlug der US-Öffentlichkeit, um wen es sich bei dem Toten von der Fifth Avenue handelte. Schließlich kommt es im Untergrund auf ein Menschenleben mehr oder weniger nicht an. Rambo geht über Leichen, und warum sollte man von der Politik mehr Moral verlangen als von Kinozuschauern Geschmack.
    Der Vorhang zog sich, elektrisch bewegt, vor dem Sarg zusammen. Die Trauergäste erhoben sich mit leeren Gesichtern. Zufrieden waren offensichtlich die uniformierten Bediensteten, denn die vorgeschriebene Zeit von einer halben Stunde war beträchtlich unterschritten worden. Die Teilnehmer liefen auseinander, als wollten sie die unliebsame Erinnerung an eine Begegnung mit dem Tod so rasch wie möglich wieder loswerden. Tatsächlich flicht die Nachwelt auch Agenten keine Kränze. Das war verständlich, und selbst der größte Virtuose verstummte bei seinem Ableben.
    Beim Verlassen wechselte Frank Flessa ein paar Höflichkeitsfloskeln mit den BND-Beamten Sanftleben und Weidekaff; dann fuhr er mit Dany in die Redaktion.
    »Eine ziemlich halbherzige Veranstaltung«, sagte sie.
    »Schlimm«, erwiderte er. »Mich schüttelt's jetzt noch.«
    Die Globetrotterin der Sensation nickte. Ihr sechster Sinn witterte dubiose Zusammenhänge. In einem solchen Fall pflegte sie ihrem Verdacht nachzugehen, bis er sich als grundlos erwies oder sich herausstellte, daß sie wieder einmal der richtigen Spur gefolgt war.
    »Bruno, stell bitte fest, wann und wie Garellas Leiche nach München geschafft wurde!« beauftragte sie ihren Rechercheur. »Und ruf Larry in New York an, und setz ihn an diese Sache! Wenn er was erfährt, soll er mich in Bogenhausen anläuten.«
    Wie erwartet gab es keine wesentlichen schriftlichen Unterlagen über das verstorbene Agenten-As. Dany ging in den Computerraum, um seine Daten auf dem
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