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Die Stadt der Engel

Die Stadt der Engel

Titel: Die Stadt der Engel
Autoren: Will Berthold
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Bildschirm abzurufen. Sie speiste ihre Kennziffer ein, denn nur einigen bevorzugten GLOBUS-Mitarbeitern war das elektronische Hilfsmittel zugänglich.
    Dann rief sie den Namen Paul Garella ab.
    Anstelle eines Fotos erschien eine Phantomzeichnung, angefertigt nach den Angaben dreier Zeugen, von denen zwei bereits gestorben waren: ein länglicher Kopf mit einem hautigen Gesicht, schmalen Augen, spitzem Kinn, langem Hals. Dany prägte sich jede Einzelheit ein.
    G ARELLA P AUL , GEBOREN 1946 IN D JAKARTA , B ATAVIA , V ATER F RITZ G. D EUTSCHER T ROPENARZT . P.G. KAM ALS F ÜNFJÄHRIGER NACH T HAILAND UND ÜBERSIEDELTE 17 J AHRE SPÄTER NACH D EUTSCHLAND . A UFENTHALT IN DEN ERSTEN J AHREN UNBEKANNT . D ANN BND-M ITARBEITER . S PEZIALIST FÜR S ÜDOSTASIEN . V ORWIEGEND IM AUSSENDIENST . V ERBINDUNGSMANN ZUR CIA . G. GILT ALS AUSSERGEWÖHNLICH BEFÄHIGT , SEIT ER 1982 DEN S OWJETOBERST P ETROWSKI AUS DEM O STEN IN DEN W ESTEN HOLTE . D IE A USSAGEN DIESES KGB-S PITZENMANNES FÜHRTEN ZUR V ERHAFTUNG VON MINDESTENS 29 O STAGENTEN IN D EUTSCHLAND UND DEN USA. G.
    S PRICHT MEHRERE ASIATISCHE S PRACHEN UND BEHERRSCHT T HAI IN W ORT UND S CHRIFT . L INKSHÄNDER , K ETTENRAUCHER , S CHACHSPIELER , L IEBHABER KLASSISCHER M USIK , PASSIONIERTER G OLFSPIELER . K EINE F RAUENAFFÄREN BEKANNT .
    Selbst von der Phantom-Zeichnung ging ein Schauer aus, wiewohl Paul Garella eher ein durchschnittliches Aussehen hatte. Der Fall Petrowski lag noch immer weitgehend im dunkeln. Man wußte nicht einmal, wie der KGB-Oberst vor fünf Jahren in den Westen geholt worden war. Eine Vermutung besagte, daß ihn Garella via Kambodscha nach Thailand eingeschleust hätte, eine andere, daß Petrowski von Ungarn nach Osterreich gekommen sei. Einige Zeitungen wollten wissen, daß der sowjetische Untergrund-Offizier von Garella mit falschen Papieren und getarnter Aufmachung über den Checkpoint Charly an der Berliner Mauer geholt worden sei.
    Die Legenden waren so zahlreich, daß zunächst selbst Fachleute angenommen hatten, die westliche Propaganda hätte einen gewaltigen Türken gebaut. Erst als die Verhaftungswelle anlief und der westliche Untergrund, durch zahllose Schlappen und Flops belastet, tatsächlich seine Gegenspieler vorübergehend beherrschte, glaubte man an den spurlos verschwundenen Überläufer.
    Wie in solchen Fällen üblich, hatte Petrowski sicher einen anderen Namen, womöglich ein verändertes Gesicht, eine reichliche Lebensversorgung und einen geheimen Aufenthaltsort. Von den Zeitungen war immer wieder versucht worden, den nunmehrigen Berater des US-Geheimdienstes aufzuspüren; keiner war es je gelungen.
    Das Telefon unterbrach Danys Garella-Erinnerungen.
    »RO-Reisen«, meldete sich der Manager, und Dany merkte der Stimme an, daß er es geschafft hatte. »Stellen Sie sich vor, drei Plätze sind in diesem Moment annulliert worden.«
    »Dann bitte zwei für mich«, sagte sie. »Mein Begleiter ist Bruno Feiler, Journalist, geboren 1951, wohnhaft in München. Ich komme bei Ihnen vorbei.«
    »Bitte möglichst bald!« erwiderte Rohregger.
    Bruno erschien und berichtete aus vollem Lauf, daß die New Yorker Polizei den Toten als Paul Garella identifiziert und einen Leichenpaß ausgestellt hätte. Im Polizeibericht sei der Verunglückte als namenloser Ausländer aufgeführt worden. Den Transport per Luftfracht im plombierten Zinksarg hatte Pullach veranlaßt. In München war der Tote, wie üblich ohne Formalitäten, in einen Eichensarg umgebettet und die für die Feuerbestattung nötige Genehmigung der Polizei ohne weitere Überprüfung ausgestellt worden. »Ein durchaus üblicher Weg«, setzte der Rechercheur hinzu.
    »Danke, Bruno!« verabschiedete ihn Dany. Sie ging in die Tiefgarage, stieg in ihren Porsche und fuhr in den Cosimapark, wo sie ungeduldig erwartet wurde. Die verwitwete Maria Callway war voller Stolz auf Danys Karriere, aber sie beklagte die ständige Abwesenheit ihrer Tochter, die ihre Erfolge ja erst ermöglichte.
    »Wie lange bleibst du diesmal?« begrüßte sie die Tochter.
    Dany wagte noch nicht zu sagen, daß sie bereits am Freitag Abend nach Fernost abfliegen würde.
    Mitten in der Nacht meldete sich New York.
    Dany war sofort hellwach.
    »Du scheinst wieder mal den richtigen Riecher gehabt zu haben, Dany«, sagte Larry Grindler statt einer Begrüßung. »Etwas könnte faul sein. Gedulde dich noch – ich bleibe am Drücker.«
    Dany legte auf, sah auf die Uhr. Es war 2 Uhr 56. Sie war in eine explosive Story geraten,
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