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Die Stadt der Engel

Die Stadt der Engel

Titel: Die Stadt der Engel
Autoren: Will Berthold
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lebendig eingemauert, wenn man sie bei der Liebe ertappte.
    »Sulla also leitet alle Anschläge und finanziert den Kampf im Untergrund, wie uns ja längst bekannt ist, vorwiegend durch Rauschgiftschmuggel. Wir wissen nicht, ob Sulla Thailänder ist, Asiate, Amerikaner oder Europäer. Wir wissen auch nicht, ob ihn Moskau nach Bangkok entsandt hat oder ob er auf vietnamesische Rechnung arbeitet. Wir können nicht einmal ausschließen, daß es sich bei ihm um einen Deutschen handelt. Gerade in letzter Zeit erhielten wir mehrere Hinweise auf Ost-Berlin.«
    Heinrich Schlumpf griff nach dem Wasserglas, nahm einen Schluck. Seine Haare wirkten borstig. Er trug, wie um seine Bedürfnislosigkeit zu unterstreichen, eine billige Kassenbrille. Sein Gesicht war ausdruckslos, als er feststellte: »Trotz der zumindest scheinbaren Entspannung zwischen den USA und der Sowjetunion brauche ich in diesem Kreis, meine Herren, wohl nicht festzustellen, daß und warum Südostasien auch weiterhin das Experimentier-Feld des Untergrunds bleiben wird. Ich beschränke mich jetzt auf die Tatsachen: Die ersten Alarmmeldungen gingen vor etwa sieben Monaten ein, und zwar vom Kundschafter 137. Kurze Zeit später stürzte der Mann bei einem Ausflug nach Katmandu in den Bergen ab; er war übrigens ein erfahrener Alpinist.«
    »Na und?« erwiderte Weidekaff angriffslustig. »Soll ich Ihnen aufzählen, wie viele erfahrene Bergsteiger alljährlich umkommen?« Ziemlich ruppig setzte er hinzu: »Und seit wann liegt Katmandu eigentlich in Thailand?«
    »Bitte unterbrechen Sie meinen Vortrag nicht, Herr Kollege!« erwiderte Schlumpf kühl und fuhr fort: »Der zweite Hinweis auf Sulla kam vor fünf Monaten: Agent 89 ertrank im Meer, vor dem Strand von Pattaya.« Der Berichterstatter hob die Stimme: »Der Mann war übrigens ein geübter Schwimmer.« Schlumpf betrachtete Weidekaff, einen Widerspruch erwartend; aber der Regierungsrat schwieg diesmal. »Der dritte Hinweis auf Sulla kam vor fünf Tagen«, referierte Schlumpf weiter. »Agent 131 forderte unsere EDV-Abteilung auf, alle Ostdeutschen in Bangkok noch einmal speziell zu überprüfen. Gestern wurde der Informant in der Rama-IV-Road von einem Lastwagen überfahren, am hellichten Tag.«
    »Der Mann war übrigens ein erfahrener Fußgänger«, spöttelte Weidekaff.
    »Ich bitte mir nun wirklich Sachlichkeit aus«, fuhr ihn Pallmann an. »Wir sind hier nicht im Kabarett, und der Anlaß ist ernst genug.« Er nickte Schlumpf zu. »Bitte fahren Sie fort, Herr Kollege!«
    »Während Fall I und II ziemlich im dunkeln liegen, gibt es beim Agenten 131 kaum einen Zweifel, daß der Mann vorsätzlich beseitigt wurde – und zwar in einem entscheidenden Moment. Er war auf dem Weg zu unserer Residentur. Er hatte Grawutke – der bekanntlich die Außenstelle Bangkok zur Zeit kommissarisch leitet – mitgeteilt, daß enorm wichtige Nachrichten sofort nach Pullach weiterzuleiten seien. Unser Agent wurde auf einem Fußgängerstreifen von einem Lastwagen regelrecht gerammt. Augenzeugen haben beobachtet, daß der Lkw-Fahrer Maß genommen und dann mit Vollgas auf Nummer 131 zugerast ist. Anschließend verübte der Täter Unfallflucht. Augenzeugen hielten das polizeiliche Kennzeichen fest – es war gefälscht. Ich fasse also zusammen.« Schlumpf kam zum Ende. »Jeder der drei Agenten arbeitete selbständig. Keiner wußte etwas vom Verdacht des anderen in Sachen Sulla. Alle drei kamen ums Leben, als sie offensichtlich Hinweise auf den neuen Mann gefunden hatten, in das feindliche Netz eingedrungen waren und ihre Meldungen an das Camp weitergeleitet hatten.«
    »Mindestens zwei Zufälle zuviel«, stellte Sanftleben fest.
    »Und das«, führte Schlumpf weiter aus, »führt leider zu dem Verdacht, daß es hier bei uns eine undichte Stelle gibt.«
    Der Referent wagte sich einen Schritt zu weit vor: »Es wäre ja nicht das erste Mal.«
    »Bitte keinen Kommentar, Herr Schlumpf!« tadelte der Ressortchef milde. »Beschränken Sie sich ausschließlich auf die Fakten.«
    »Selbstverständlich, Herr Regierungsdirektor«, erwiderte der Referent beflissen. »Es besteht also der Verdacht, daß es im westlichen Netz ein Loch gibt. Das könnte bei uns sein, genausogut aber auch bei einem befreundeten Intelligence-Service, mit dem wir in ständigem Nachrichtenverbund stehen.«
    Alle dachten an die Agency, die CIA, und waren erleichtert, als Cicero es offen aussprach: »Natürlich ist man auch bei der Agency besorgt, daß sich in Langley ein
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