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Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Titel: Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)
Autoren: Robin Sloan
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Styroporchips, zusammengehalten mit Maschendraht. Das Ganze nahm seinen Anfang auf einem Spieltisch, aber Mat hat zwei weitere dazugestellt, die unterschiedlich hoch sind, wie tektonische Platten. Über das Tischplattenterrain breitet sich jetzt eine Stadt.
    Es ist eine Traumlandschaft im Kleinformat, eine helle, glitzernde Hyper-City, erbaut aus Abfällen vertrauter Gegen stände, mit gehryesken Kurven aus glatter Alufolie, goti schen Zacken und Zinnen aus trockenen Makkaroni, einem Empire State Building aus grünen Glasscherben.
    An der Wand hinter den Spieltischen kleben Mats Fotovorlagen: Ausdrucke von Bildern, die Museen, Kathedralen, Bürotürme und Reihenhäuser zeigen. Auf manchen ist eine ganze Skyline zu sehen, aber mehrheitlich sind es Nahaufnahmen: herangezoomte Fotos von Oberflächen und Strukturen, die Mat selbst aufgenommen hat. Er steht oft davor und starrt sie an, reibt sich das Kinn, verarbeitet die Körnung und das Glitzern in seinem Kopf, nimmt alles auseinander und baut es mit seinem eigenen maßgefertigten Lego - Bausatz wieder auf. Mat verwendet alltägliche Materialien so genial, dass ihre ursprüngliche Herkunft in Vergessenheit gerät und man sie nur noch als die kleinen Gebäude wahrnimmt, zu denen sie geworden sind.
    Auf dem Sofa liegt eine schwarze Funkfernsteuerung aus Plastik; ich nehme sie in die Hand und drücke einen der Knöpfe. Ein Luftschiff im Spielzeugformat, das neben dem Türeingang schlummert, erwacht summend zum Leben und rast auf Matropolis zu. Sein Meister kann es so lenken, dass es auf dem Dach des Empire State Building andockt, ich hingegen schaffe es immer nur, damit gegen das Fenster zu knallen.
    Den Flur entlang, gleich hinter Matropolis, liegt mein Zimmer. Es gibt hier drei Räume für drei Mitbewohner. Meiner ist der kleinste, kaum mehr als ein winziges weißes Quadrat mit einer filigranen Deckenverzierung vom Anfang des letzten Jahrhunderts. Mats Zimmer ist bei Weitem das größte, aber es ist zugig – es liegt oben auf dem Dachboden, am Ende einer schmalen Stiege. Und ein drittes Zimmer, in dem sich Geräumigkeit und Behaglichkeit perfekt die Waage halten, gehört unserer dritten Mitbewohnerin, Ashley Adams. Sie schläft im Moment noch, aber nicht mehr lange. Ashley steht jeden Morgen um Punkt drei viertel sieben auf.
    Ashley ist schön. Wahrscheinlich zu schön – zu schillernd und ebenmäßig, wie ein 3-D-Modell. Sie hat blondes, glattes Haar, das exakt auf Schulterlänge abgeschnitten ist, und muskulöse Arme – vom Felsenklettern zweimal wöchentlich. Ihre Haut ist durchgehend sonnengebräunt. Ashley ist Kundenberaterin bei einer PR -Agentur, und in dieser Eigenschaft hat sie auch die PR für NewBagel gemacht, so haben wir uns kennengelernt. Ihr gefiel mein Logo. Zuerst dachte ich, ich hätte mich in sie verliebt, aber dann wurde mir klar, dass sie ein Android ist.
    Das meine ich nicht böse! Ich meine, wenn wir’ s irgendwann richtig raushaben, werden Androiden total cool sein, stimmt’s? Klug und stark und effizient und rücksichtsvoll. Ashley ist all das. Und sie ist unsere Schutzherrin, sie ist Haupt mieterin der Wohnung. Sie lebt seit Jahren hier, und unsere niedrige Miete ist Resultat ihres langen Mietverhältnisses.
    Ich jedenfalls bin Feuer und Flamme für unsere zukünftigen androiden Gebieter.
    Nachdem ich etwa neun Monate hier gewohnt hatte, zog unsere damalige Mitbewohnerin Vanessa nach Kanada, um einen MBA in Wirtschaft zu machen, und ich war derjenige, der Mat als Ersatz für sie fand. Er war der Freund eines Freun des von der Kunstakademie; ich hatte mir seine Ausstellung in einer kleinen, weiß getünchten Galerie angesehen, lauter Mini-Wohnsiedlungen, die in Weinflaschen und Glühbirnen eingebaut waren. Als es sich dann ergab, dass wir einen neuen Mitbewohner brauchten und er eine Wohnung suchte, begeisterte mich die Vorstellung, dicht an dicht mit einem Künstler zu wohnen, aber ich war mir nicht sicher, ob Ashley mitziehen würde.
    Mat kam und stellte sich vor, in einer schnuckeligen blauen Sportjacke und akkurat gebügelten Hosen. Wir saßen im Wohnzimmer (das damals noch von einem Flachbildfernseher beherrscht wurde; an Städte auf Tischplatten dachten wir nicht mal im Traum), und er erzählte uns von seiner da maligen Aufgabe bei ILM : ein blutrünstiges Monster mit einer Haut aus blauem Jeansstoff zu entwerfen und zu konstruieren. Es sollte Teil eines Horrorfilms werden, der in einer Filiale von Abercrombie & Fitch
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