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Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Titel: Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)
Autoren: Robin Sloan
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Höhen. Er dreht sich zu mir um, richtet seinen Arm, der in einer karierten Jacke steckt, direkt an die Decke und sagt: »Ich möchte da rauf.«
    Ich arbeite erst seit einem Monat hier und mir fehlt noch ein bisschen das Selbstvertrauen, um schon Dummheiten anzustellen, aber Mats Neugier ist ansteckend. Entschlossenen Schritts geht er direkt zu den Ladenhütern und bleibt zwischen den Regalen stehen, geht nah heran, untersucht die Holzmaserung, das Material der Buchrücken.
    Ich gebe nach: »Okay, aber du musst dich gut festhalten. Und fass bloß keine Bücher an.«
    »Ich darf sie nicht anfassen?«, sagt er und probiert die Leiter aus. »Und wenn ich eins kaufen will?«
    »Sie sind nicht zu verkaufen – man kann sie nur ausleihen. Du musst Klubmitglied sein.«
    »Seltene Bücher? Erstausgaben?« Er ist schon auf halber Höhe. Er bewegt sich schnell.
    »Eher einmalige Ausgaben«, sage ich. ISBN wird man hier nicht finden.
    »Wovon handeln sie?«
    »Ich weiß es nicht«, sage ich leise.
    »Was?«
    Als ich es lauter wiederhole, wird mir klar, wie lahm es klingt: »Ich weiß es nicht.«
    »Du hast dir noch nie eins angesehen?« Er ist auf der Leiter stehen geblieben und schaut nach unten. Fassungslos.
    Jetzt werde ich nervös. Ich weiß genau, wohin das führt.
    »Im Ernst, nie?« Er streckt die Hand nach einem Regal aus.
    Ich erwäge, an der Leiter zu rütteln, um ihn meinen Unmut spüren zu lassen, aber das Einzige, was problematischer wäre als Mat, der einen Blick in ein Buch wirft, ist ein Mat, der abstürzt und sich das Genick bricht. Wahrscheinlich. Er hält jetzt eins in der Hand, ein dickes Werk mit schwarzem Einband, das droht, ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Er schwankt auf der Leiter hin und her, und ich beiße die Zähne zusammen.
    »Hey, Mat«, sage ich, und meine Stimme klingt plötzlich schrill und quengelig, »warum lässt du es nicht einfach –«
    »Das ist ja der Wahnsinn.«
    »Du solltest jetzt besser –«
    »Echt der Wahnsinn, Jannon. Du hast dir das nie angesehen?« Er drückt sich das Buch an die Brust und macht einen Schritt nach unten.
    »Warte!« Vielleicht ist es irgendwie kein ganz so schlimmer Regelbruch, wenn man das Buch nicht so weit von seinem Stammplatz entfernt. »Ich komme hoch.« Ich bringe eine zweite Leiter in Position, sodass sie der seinen gegenübersteht, und hüpfe die Sprossen hinauf. Kurz darauf sind Mat und ich auf einer Ebene und konferieren mit gedämpfter Stimme in sechs Metern Höhe.
    Natürlich bin ich selbst wahnsinnig neugierig. Ich ärgere mich über Mat, bin ihm aber zugleich dankbar, dass er mich in Versuchung führt. Er balanciert den dicken Band auf seiner Brust und dreht ihn in meine Richtung. Es ist dunkel da oben, darum lehne ich mich über die Lücke zwischen den Regalen, damit ich die Seiten erkennen kann.
    Wegen so was kommen Tyndall und die anderen mitten in der Nacht hier angerannt?
    »Ich hatte auf eine Enzyklopädie über schwarze Magie gehofft«, sagt Mat.
    Die aufgeschlagenen zwei Seiten zeigen eine feste Matrix aus Buchstaben, eine dichte Decke aus Glyphen, aus der kaum irgendwo weiße Stellen hervorschauen. Die Buchstaben sind groß und kräftig, in einer scharfen Serife ins Papier gestanzt. Das Alphabet erkenne ich – es ist römisch, das heißt also, normal –, aber nicht die Worte. Genauer gesagt stehen da gar keine richtigen Worte. Auf den Seiten sind nur lange Buchstabenreihen – ein undifferenziertes Wirrwarr.
    »Und wiederum«, sagt Mat, »wissen wir gar nicht, ob es nicht doch eine Enzyklopädie über schwarze Magie ist …«
    Ich ziehe ein weiteres Buch aus dem Regal, diesmal ein großes, flaches mit hellgrünem Einband und einem braunen Buchrücken, auf dem K RESIMIR steht. Innen sieht es genauso aus.
    »Vielleicht sind das irgendwelche Denksportaufgaben«, sagt Mat. »Sowas wie Sudoku für Super-Fortgeschrittene.«
    Penumbras Kunden sind tatsächlich genau die Sorte Menschen, die man in Cafés sitzen und Schach gegen sich selbst spielen sieht oder dabei, wie sie beim Lösen des Samstags-Kreuzworträtsels ihre blauen Kugelschreiber mit gefährlicher Entschlossenheit ins Zeitungspapier drücken.
    Unten bimmelt das Glöckchen. Klirrend kalte Angst schießt von meinem Gehirn bis in meine Fingerspitzen und wieder zurück. Vorn im Laden ruft jemand mit tiefer Stimme: »Ist jemand da?«
    Ich zische Mat zu: »Stell es wieder zurück.« Dann sause ich die Leiter hinunter.
    Als ich keuchend aus dem Magazin hervortrete, steht
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