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Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Titel: Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)
Autoren: Robin Sloan
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spielte.
    »Ich lerne gerade Nähen«, erklärte er uns. Dann zeigte er auf einen von Ashleys Ärmelaufschlägen: »Das sind richtig gute Säume.«
    Später, nachdem er gegangen war, sagte mir Ashley, dass ihr an Mat gefiel, wie ordentlich er war. »Wenn du also meinst, dass er gut zu uns passt, bin ich mit ihm einverstanden«, sagte sie.
    Das ist der Schlüssel für unser harmonisches Zusammen leben: Obwohl sie unterschiedliche Ziele haben, verbin det Mat und Ashley ein ungeheurer Respekt vor Details. Für Mat ist das ein Mini-Graffito in einer Mini-U-Bahn-Station. Für Ashley ist es Unterwäsche, die zu ihrem Twinset passt.
    Aber die Nagelprobe kam schon am Anfang, mit Mats erstem Projekt. Das Ganze spielte sich in der Küche ab.
    Die Küche: Ashleys Allerheiligstes. Ich halte mich in der Küche zurück; ich koche Gerichte, die nicht viel Chaos oder Schmutz verursachen, Nudeln oder Pop-Tarts. Ich lasse die Finger von ihrer edlen Microplane-Raspel und ihrer komplizierten Knoblauchpresse. Ich weiß, wie man am Herd die Flammen an- und wieder abdreht, aber nicht, wie man den Umluftofen bedient, für dessen Gebrauch wahrscheinlich zwei Eingabecodes erforderlich sind wie für den Startmechanismus einer Atomrakete.
    Ashley liebt die Küche. Sie ist ein Gourmet und Genussmensch und sie ist nie hübscher, beziehungsweise dem an droidischen Ideal näher als am Wochenende, wenn sie in einer farblich abgestimmten Schürze, das Haar zu einem perfekten blonden Knoten aufgesteckt, ein herrlich duftendes Risotto kocht.
    Mat hätte sein erstes Projekt oben auf dem Dachboden oder in dem kleinen, mit Gestrüpp überwucherten Hof in Angriff nehmen können. Aber nein. Er wählte die Küche.
    Das war während meiner Arbeitslosigkeit nach NewBagel, darum war ich dabei, als es geschah. Ich hatte mich sogar gerade tief über Mats Meisterwerk gebeugt, um es zu begutachten, als Ashley auftauchte. Sie kam von der Arbeit und trug noch ihr anthrazit- und beigefarbenes Outfit von J. Crew. Sie schnappte nach Luft.
    Mat hatte einen riesigen Pyrex-Topf auf dem Herd aufgebaut, in dem eine Mischung aus Öl und Färbemittel langsam brodelte. Sie war schwer und extrem zähflüssig, und über der sparsam dosierten Hitze blubberte und schwitzte sie in Zeitlupe vor sich hin. Alles Licht in der Küche war ausgeschaltet, dafür hatte Mat zwei helle Bogenlampen hinter dem Kessel aufgestellt; der gläserne Deckel reflektierte das Licht, und rote und lila Schatten drehten sich über Arbeitsflächen aus Granit und Travertinfliesen.
    Ich richtete mich auf und blieb stumm stehen. Als ich zum letzten Mal auf ähnliche Weise ertappt wurde, war ich neun und hatte nach der Schule auf dem Küchentisch Vulkane aus Essig und Backpulver hergestellt. Meine Mutter trug damals genau die gleichen Hosen wie Ashley.
    Mats Augen richteten sich langsam nach oben. Er hatte die Ärmel über die Ellenbogen geschoben. Seine dunklen Le derschuhe glänzten im Dämmerlicht wie auch seine Fingerspitzen, die mit Öl bedeckt waren.
    »Es ist eine Simulation des Pferdekopfnebels«, sagte er. Offensichtlich.
    Ashley starrte wortlos. Ihr Mund war leicht geöffnet. Ein Schlüsselbund baumelte an ihrem Finger, auf halbem Weg zu seinem Stammplatz, gleich über der Liste mit dem Haus arbeitsplan, erstarrt.
    Mat wohnte seit drei Tagen bei uns.
    Ashley trat zwei Schritte näher und beugte sich über den Topf, genau wie ich zuvor, spähte hinein in die kosmischen Tiefen. Ein safrangelbes Klümpchen war dabei, sich durch eine wabernde Schicht aus Grün und Gold an die Oberfläche zu zwängen.
    »Heilige Scheiße, Mat«, hauchte sie. »Das ist ja wunderschön.«
    Also köchelte Mats astrophysische Suppe weiter, und nach und nach kamen andere Projekte hinzu, die größer und unübersichtlicher wurden und immer mehr Platz beanspruchten. Ashley interessierte sich für seine Fortschritte; sie schlenderte ins Zimmer, stemmte eine Hand in die Hüfte, rümpfte die Nase und gab einen schlauen, konstruktiven Kommentar ab. Sie räumte den Fernseher eigenhändig weg.
    Das ist Mats Geheimwaffe, sein Passierschein, seine Du-kommst-aus-dem-Gefängnis-frei-Karte: Mat macht Dinge, die wunderschön sind.
    Natürlich habe ich zu Mat gesagt, dass er mich mal in der Buchhandlung besuchen soll, und heute kommt er, um halb drei Uhr nachts. Die Glocke über der Tür läutet und kündigt seine Ankunft an, und bevor er auch nur ein Wort sagt, legt er den Kopf in den Nacken und folgt den Regalen hinauf in die schummrigen
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