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Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Titel: Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)
Autoren: Robin Sloan
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angekokelt und ungleichmäßig aussahen. Sie wiesen mich an, die Website altmodisch zu gestalten; eine Aufgabe, die mich seelisch belastete und mir null Preise vom American Institute of Graphic Arts einbrachte. Mein Marketingbudget schrumpfte und verschwand dann ganz. Es gab immer weniger zu tun. Ich lernte nichts und es ging weder aufwärts noch irgendwie weiter mit mir.
    Schließlich warfen die Ex-Googler das Handtuch und zogen nach Costa Rica. Die Backöfen erkalteten und die Website erlosch. Für eine Abfindung war kein Geld da, aber ich durfte mein Firmen-MacBook und den Twitter-Account behalten.
    So war ich also, nach nicht einmal einem Jahr, wieder ohne Job. Bald wurde klar, dass nicht nur die Lebensmittelketten gelitten hatten. Die Menschen mussten in Motels und Zeltstädte ziehen. Die ganze Wirtschaft glich plötzlich einem einzigen »Reise nach Jerusalem«-Spiel, und ich wusste, dass ich mir einen Stuhl schnappen musste, irgendeinen, und zwar so schnell wie möglich.
    Angesichts der Konkurrenz waren meine Aussichten ziem lich düster. Ich hatte Freunde, die wie ich Designer waren, aber sie hatten schon weltberühmte Websites oder raffinierte Touchscreen-Interfaces entworfen, nicht nur das Logo für eine neu gegründete Bagelbude. Ich hatte Freunde, die bei Apple arbeiteten. Mein bester Kumpel, Neel, besaß bereits sein eigenes Unternehmen. Noch ein Jahr bei NewBagel, und ich hätte gut dagestanden, aber so war zu wenig Zeit gewesen, um mir ein Portfolio zusammenzustellen oder auch nur auf irgendeinem Gebiet besonders gute Kenntnisse zu erwerben. Was ich vorzuweisen hatte, war eine Abschlussarbeit über schweizerische Typografie (195 7– 1983) und eine Website von drei Seiten.
    Aber ich blieb mit den »Aushilfe gesucht«-Anzeigen am Ball. Meine Ansprüche sanken rasch. Zuerst war ich fest entschlossen, nur bei einer Firma zu arbeiten, deren Zielsetzung mich überzeugte. Dann fand ich, eine Stelle, bei der ich wenigstens etwas Nützliches lernen könnte, wäre auch in Ordnung. Danach legte ich nur noch Wert darauf, dass das betreffende Unternehmen keinem bösen Zweck diente. Jetzt war ich gerade dabei, meine ganz persönliche Definition von »böse« zu überdenken.
    Was mich schließlich rettete, war Papier. Denn es zeigte sich, dass ich mich auf die Jobsuche konzentrieren konnte, solange ich mich vom Internet fernhielt; daher druckte ich mir jedes Mal einen dicken Stapel »Aushilfe gesucht«-Anzeigen aus, verstaute mein Handy in einer Schublade und ging spazieren. Die Anzeigen, die zu viel Berufserfahrung verlang ten, zerknüllte ich und warf sie unterwegs in eine der verbeulten grünen Mülltonnen, und wenn ich irgendwann erschöpft in einen Bus stieg, der mich nach Hause bringen würde, steckten zwei oder drei Prospekte, denen ich nachgehen konnte, zusammengefaltet in meiner Gesäßtasche.
    Diese Methode brachte mir tatsächlich einen Job ein, aber nicht so, wie ich erwartet hatte.
    San Francisco ist ein guter Ort für Spaziergänge, wenn man kräftige Beine hat. Die Stadt ist ein winziges Quadrat, das von steilen Hügeln durchsetzt und auf drei Seiten von Wasser begrenzt ist; infolgedessen öffnen sich einem überall überraschende Ausblicke. Während man noch gedankenverloren mit einer Handvoll Prospekte vor sich hin schlendert, fällt plötzlich der Boden steil ab und man schaut direkt in die Bay hinunter, auf all die bunten, rosa und orange beleuchteten Gebäude entlang der Straße dorthin. Der Baustil von San Francisco hat sich eigentlich nirgendwo sonst im Land durchsetzen können, und selbst wenn man hier lebt und daran gewöhnt ist, ist der Anblick immer wieder befremdlich: die hohen schmalen Häuschen, die Fenster wie Augen und Zähne, die kitschigen Verzierungen. Und hinter allem erhebt sich drohend, sofern man in die richtige Richtung schaut, das rostige Gespenst der Golden Gate Bridge.
    Ich war einem dieser merkwürdigen Anblicke über eine Reihe von steilen, stufigen Gehsteigen abwärts gefolgt und dann am Wasser entlang über einen sehr langen Umweg nach Hause gelaufen. Ich ging vorbei an den alten Landungsbrücken – mied aber die lärmende Fischsuppen-Szene am Fisherman’s Pier – und beobachtete, wie Fischrestaurants allmählich in Läden für Bootszubehör und dann in Social-Media-Start-ups übergingen. Als mir schließlich der Magen knurrte und seine Bereitschaft zum Mittagessen signalisierte, wandte ich mich stadteinwärts.
    Wenn ich die Straßen von San Francisco entlanglief,
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