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Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Titel: Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)
Autoren: Robin Sloan
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vorbei. Hier ist es kühl und trocken.«
    Mat geht. Später schreibe ich ins Logbuch:
    Eine kühle, wolkenlose Nacht. Die Buchhandlung wird (nach Ansicht dieses Verkäufers) vom jüngsten Kunden seit vielen Jahren aufgesucht. Er trägt Cordhosen, ein maßgeschneidertes Jackett und darunter einen mit kleinen Tigern bestickten Pullunder. Der Kunde ersteht eine Postkarte (unter Zwang) und verlässt danach den Laden, um seine Arbeit an einem Dschungelmonster wieder aufzunehmen.
    Es ist sehr still. Ich lege mein Kinn in die Hand, gehe im Kopf meine Freunde durch und frage mich, was sich sonst noch alles direkt vor meinen Augen zuträgt, ohne dass ich es sehe.

DIE DRAC HENLIED-CHRONIKEN, TEIL I
    I n meiner nächsten Nacht besucht mich wieder ein Freund in Mr. Penumbras Buchhandlung und nicht nur irgendeiner: mein ältester.
    Neel Shah und ich sind seit der sechsten Klasse beste Freunde. In der unberechenbaren, frei fließenden Dynamik der Mittelschule trieb ich irgendwie in der Nähe der Oberfläche, ein harmloser Jedermann, der gerade gut genug Basketball spielen konnte und in Gegenwart von Mädchen nicht gleich von lähmender Angst gepackt wurde. Neel dagegen ging auf Grund wie ein Senkblei und wurde von Jocks und Nerds gleichermaßen gemieden. Meine Tischkumpel in der Schulcafeteria schnaubten verächtlich, er würde komisch aussehen, komisch reden, komisch riechen.
    Aber in diesem Frühjahr damals verband uns eine Leidenschaft für Bücher über singende Drachen und machte uns zu besten Freunden. Ich hielt zu ihm, verteidigte ihn, setzte präpubertäres Sozialkapital für ihn ein. Ich verschaffte ihm Einladungen zu Pizza-Partys und lockte Mitglieder der Basketballmannschaft in unsere Rockets-&-Warlocks-Rollen spielgruppe (das ging nicht lange gut: Neel war immer der Kerkermeister, und er hetzte ständig zielstrebige Droiden und untote Orks auf sie). In der siebten Klasse machte ich gegenüber Amy Torgensen, einem hübschen Mädchen mit strohblondem Haar und einer Leidenschaft für Pferde, eine Andeutung, dass Neels Vater ein im Exil lebender, unsäglich reicher Prinz sei und Neel deshalb einen ausgezeichneten Begleiter für den nächsten Highschool-Ball abgeben würde. Es war sein erstes Date.
    So könnte man vermutlich sagen, dass Neel mir ein paar Gefallen schuldet, wären da inzwischen nicht so viele Gefallen zwischen uns ausgetauscht worden, dass man nicht mehr von einzelnen Taten sprechen kann, sondern von einem hellen Flimmern aus Loyalität. Unsere Freundschaft ist ein kosmischer Nebel.
    Jetzt taucht Neel im Türrahmen auf, groß und stämmig, in einer eng anliegenden schwarzen Sportjacke. Er würdigt die hoch aufragenden staubigen Ladenhüter keines Blicks. Stattdessen geht er schnurstracks auf das kleine Regal zu, das die S CIENCE - F ICTION UND F ANTASY -Bücher enthält.
    »Alter, ihr habt ja Moffat!«, sagt er und hält ein dickes Paperback hoch. Es sind die Drachenlied-Chroniken, Teil I  – ebenjenes Werk, das uns in der sechsten Klasse zusammenbrachte und immer noch unser gemeinsames Lieblingsbuch ist. Ich habe es dreimal gelesen; Neel wahrscheinlich sechsmal.
    »Und es ist sogar noch ein altes Exemplar«, sagt er und lässt die Seiten durch die Finger flutschen. Er hat recht. Die neueste Ausgabe der Trilogie, die nach Clark Moffats Tod erschien, besticht durch markante, geometrisch gestaltete Einbände, die ein durchgehendes Muster ergeben, wenn man alle drei Bände nebeneinander ins Regal stellt. Dieser zeigt einen weichgezeichneten dicken blauen Drachen, der sich durch schäumende Gischt windet.
    Ich ermuntere Neel, das Buch zu kaufen, weil es ein Sammlerstück und wahrscheinlich mehr wert ist als das, was auch immer Penumbra dafür verlangt. Und weil ich seit sechs Tagen lediglich eine einzige Postkarte verkauft habe. Normalerweise hätte ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich einen meiner Freunde zum Kauf eines Buches drängen würde, aber Neel Shah ist inzwischen, wenn auch nicht sagenhaft reich, dann doch definitiv in einer Liga mit ein paar Prinzen niederen Adels. Etwa um die Zeit, als ich mich für einen Hungerlohn bei Oh My Cod! in Providence, Rhode Island, abstrampelte, hatte Neel schon seine eigene Firma gegründet. Man spule fünf Jahre vor und bestaune, was unermüdlicher Einsatz und zähes Durchhalten alles erreichen können: Neel hat, grob geschätzt, ein paar Hunderttausend Dollar auf dem Konto, und sein Unternehmen ist weitere etliche Millionen wert. Im Gegensatz dazu liegen auf meinem
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