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Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Titel: Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)
Autoren: Robin Sloan
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mir gern einen Zugang zu den Ladenhütern erwerben würde. Er streift seine Marinejacke ab – einen superschicken Peacoat, fein verarbeitet, aus der Wolle der schwärzesten Schafe – und richtet sich auf dem Stuhl hinter dem Schreibtisch häuslich ein.
    »Oh, es geht hier nicht um Erwerb«, sagt er und formt mit den Fingern einen Kirchturm, »sondern um Absicht.«
    »Naja, mein Freund ist eben neugierig«, sage ich. »Er ist ein totaler Büchernarr.« Das entspricht nicht ganz der Wahrheit. Neel bevorzugt die Kinoversion. Er regt sich ständig darüber auf, dass die Drachenlied-Chroniken immer noch nicht verfilmt wurden.
    »Nun«, sagt Penumbra, abwägend, »er wird den Inhalt die ser Bücher … herausfordernd finden. Und um sich Zugang zu ihnen zu verschaffen, muss er einen Vertrag unterschreiben.«
    »Moment – es kostet also doch Geld?«
    »Nein, nein. Dein Freund muss einfach versprechen, intensiv in die Lektüre einzutauchen. Es sind besondere Bücher« – er wedelt mit seiner langen Hand Richtung Ladenhüter – »mit besonderen Inhalten, die konzentrierte Aufmerksamkeit erfordern. Dein Freund wird feststellen, dass sie ihn zu etwas Bemerkenswertem führen, aber nur, wenn er bereit ist, ausgesprochen hart dafür zu arbeiten.«
    »Ist es so was wie Philosophie?«, sage ich. »Oder Mathematik?«
    »Nicht ganz so abstrakt«, sagt Penumbra und schüttelt den Kopf. »Die Bücher ergeben ein Puzzle« – er neigt den Kopf und schaut mich an –, »aber das weißt du schon, mein Junge, nicht wahr?«
    Ich verziehe das Gesicht und gestehe: »Ja. Ich habe reingeschaut.«
    »Gut.« Penumbra nickt heftig. »Es gibt nichts Schlimmeres als einen Verkäufer, der nicht neugierig ist«, sagt er mit einem Augenzwinkern. »Das Rätsel lässt sich nur mit Zeit und Sorgfalt lösen. Über das, was einen erwartet, wenn es gelöst ist, darf ich nichts sagen, nur so viel, dass es sich viele zur Lebensaufgabe gemacht haben. Ob das nun etwas ist, was dein … Freund als lohnende Erfahrung empfindet, kann ich nicht beurteilen. Aber ich könnte es mir vorstellen.«
    Er lächelt ironisch. Jetzt wird mir klar, dass Penumbra glaubt, wir würden hier den hypothetischen Freund verwenden; mit einem Wort, er glaubt, wir sprechen von mir. Naja, vielleicht tun wir es auch, wenigstens ein kleines bisschen.
    »Die Beziehung zwischen Buch und Leser ist natürlich etwas Privates«, sagt er, »darum bauen wir auf Vertrauen. Wenn du mir sagst, dass dein Freund diese Bücher verantwortungsvoll lesen wird, in einer Weise, die ihren Autoren Respekt zollt, dann will ich dir das glauben.«
    Ich weiß eindeutig, dass Neel sie nicht in dieser Weise le sen wird, und bin auch nicht sicher, ob ich mich dazu ver pflichten wollte. Nicht jetzt schon. Die Sache fasziniert und gruselt mich gleichzeitig. Darum sage ich nur: »Okay. Ich sag ihm Bescheid.«
    Penumbra nickt. »Es ist keine Schande, wenn dein Freund für die Aufgabe noch nicht bereit ist. Vielleicht wird sie ihm ja mit der Zeit interessanter erscheinen.«

FREMDER IN EINEM FREMDEN LAND
    E ine Nacht nach der anderen vergeht, und in der Buchhandlung wird es immer ruhiger. Seit einer Woche hat sich kein einziger Kunde blicken lassen. Auf meinem Laptop rufe ich das Dashboard meiner hyperzielgerichteten Anzeigenkampagne auf und stelle fest, dass sie bisher exakt null Treffer gelandet hat. In der Ecke des Bildschirms steht eine knallgelbe Nachricht von Google, die mir nahelegt, dass meine Kriterien zu eng gefasst sein könnten und ich möglicherweise einen Kundenstamm definiert habe, der nicht existiert.
    Ich frage mich, wie es hier tagsüber ist, während Penumbras sonnendurchfluteter Tagesschicht. Ich frage mich, ob wohl Oliver am Abend einen Ansturm von Kunden erlebt, wenn alle Leute von der Arbeit kommen. Ich frage mich, ob diese Stille und Einsamkeit vielleicht meinem Hirn nachhaltig schaden könnten. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Ich bin dankbar, einen Job zu haben, hier auf diesem Stuhl zu sitzen, friedlich Dollars zu scheffeln (nicht besonders viele), mit denen ich meine Miete zahlen und Pizza und iPhone-Apps kaufen kann. Aber früher habe ich einmal in einem Büro gearbeitet, in einem Team. Hier gibt’s nur mich und die Fledermäuse. (Oh ja, ich weiß genau, dass da oben welche sind.)
    In letzter Zeit bleiben sogar die Leute aus, die sich Laden hütertitel ausleihen. Hat irgendein Buchklub am anderen Ende der Stadt sie abgeworben? Haben sie sich alle Kindles gekauft?
    Ich besitze
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