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Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Titel: Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)
Autoren: Robin Sloan
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Fedorov an der Tür. Von allen Kunden, die ich kennengelernt habe, ist er der älteste – sein Bart ist schneeweiß und die Haut an seinen Händen dünn wie Papier –, aber wahrscheinlich ist er auch der mit den klarsten Augen. Im Grunde ähnelt er Penumbra in vielem. Jetzt schiebt er mir ein Buch über den Tisch – er gibt C LOVTIER zurück –, dann tippt er mit zwei Fingern hart auf die Tischplatte und sagt: »Als Nächstes brauche ich Murao.«
    Na schön. Ich finde M VRAO in der Datenbank und schicke Mat die Leiter hinauf. Fedorov beäugt ihn neugierig. »Ein zweiter Verkäufer?«
    »Ein Freund«, sage ich. »Er hilft nur aus.«
    Fedorov nickt. Mir kommt der Gedanke, dass Mat als sehr junges Mitglied dieses Klubs durchgehen könnte. Er und Fedorov tragen beide baune Cordhosen heute Nacht.
    »Wie lange sind Sie hier, siebenunddreißig Tage?«
    Ich hätte es nicht mit Gewissheit sagen können, aber ja, bestimmt sind es genau siebenunddreißig Tage. Diese Typen sind gewöhnlich sehr exakt. »Stimmt, Mr. Fedorov«, sage ich vergnügt.
    »Und wie finden Sie es?«
    »Es gefällt mir«, sage ich. »Besser, als in einem Büro zu arbeiten.«
    Fedorov nickt zustimmend und reicht mir seine Karte. Er ist 6 KZVCY , na klar. »Ich habe dreißig Jahre für HP gearbeitet« – er sagt Cha-Peh  –, »also das war ein Büro.« Dann erlaubt er sich die Frage: »Haben Sie früher schon einmal einen Taschenrechner von HP benutzt?«
    Mat kommt mit dem M VRAO zurück. Es ist ein großes Buch, dick und breit, mit marmoriertem Ledereinband.
    »Oh ja, definitiv«, sage ich und verpacke das Buch in braunes Papier. »Während meiner Highschool-Zeit hatte ich einen dieser grafikfähigen Taschenrechner. Es war ein HP -38.«
    Fedorov strahlt wie ein stolzer Großvater. »Ich habe am Achtundzwanziger mitgearbeitet, das war der Vorläufer!«
    Ich schmunzle. »Wahrscheinlich habe ich ihn noch irgend wo«, sage ich und schiebe ihm den M VRAO über den Tresen.
    Fedorov greift mit beiden Händen nach ihm. »Danke«, sagt er. »Wissen Sie, der Achtunddreißiger hatte keine Umgekehrte Polnische Notation« – er klopft bedeutungsvoll auf sein Buch (schwarzer Magie?) –, »und ich muss Ihnen sagen, für diese Art von Arbeit ist UPN nützlich.«
    Ich glaube, dass Mat recht hat: Sudoku. »Ich werd’s mir merken«, sage ich.
    »Okay, danke noch mal.« Das Glöckchen klingelt und wir sehen zu, wie Fedorov langsam auf dem Bürgersteig Richtung Bushaltestelle geht.
    »Ich hab mir sein Buch angesehen«, sagt Mat. »Genau wie die anderen.«
    Was vorher seltsam erschien, erscheint jetzt noch seltsamer.
    »Jannon«, sagt Mat und schaut mir direkt ins Gesicht. »Ich muss dich was fragen.«
    »Lass mich raten«, sage ich. »Warum ich mir die Bücher nie ange-«
    »Bist du scharf auf Ashley?«
    Also, das hatte ich jetzt nicht erwartet. »Was? Nein.«
    »Okay, gut. Weil, ich nämlich schon.«
    Ich blinzle und starre Mat Mittelbrand an, wie er dort in seiner winzigen, perfekt maßgeschneiderten Anzugjacke steht. Es ist, als würde Jimmy Olsen gestehen, dass er scharf auf Wonder Woman ist. Der Gegensatz haut einen einfach um. Und trotzdem –
    »Ich werde mich an sie heranmachen«, sagt er ernst. »Es könnte ein bisschen bizarr werden.« Es klingt wie ein Überfallkommando, das um Mitternacht losschlagen wird. Ungefähr so: Garantiert wird es eine extrem gefährliche Operation, aber keine Sorge. Ich hab so was schon mal gemacht.
    Meine Vision verpufft und macht einer anderen Platz. Vielleicht ist Mat ja gar nicht Jimmy Olsen, sondern Clark Kent, und dahinter versteckt sich ein Superman. Er wäre zwar ein Superman von eins zweiundsechzig, aber immerhin.
    »Ich meine, genau genommen haben wir’s schon einmal gemacht.«
    Moment mal, was –
    »Vor zwei Wochen. Du warst nicht zu Hause. Du warst hier. Wir hatten ziemlich viel Wein getrunken.«
    Mir wird ein bisschen schwindelig, nicht, weil Mat und Ashley ein so ungleiches Paar abgeben würden, sondern wegen der Erkenntnis, dass dieses zarte Band vor meiner Nase geknüpft wurde und ich keine Ahnung hatte. Ich hasse es, wenn das passiert.
    Mat nickt, als wäre jetzt alles geregelt. »Okay, Jannon. Dieser Laden ist der Hammer. Aber ich muss los.«
    »Zurück zur Wohnung?«
    »Nein, ins Büro. Muss die Nacht durchmachen. Dschungelmonster.«
    »Dschungelmonster.«
    »Aus echten Pflanzen. Wir müssen im Studio die ganze Zeit die Heizung voll aufdrehen. Vielleicht komme ich noch mal auf eine zweite Pause
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